Kalenderblatt Juli 2020
Ich freue mich schon auf die ersten Kirschen (ja, ich weiß, die gibt es auch schon im Mai zu kaufen). Aber die ersten so vom Baum gibt es bei uns ab Ende Juni, Anfang Juli und darum sind die runden kleinen Dinger mein Juli-Obst. Sie machen etwas mit mir, sie machen mich viele, viele Jahre jünger. Mein Gehirn fährt auf Kindsein, sobald ich Kirschen nur sehe. Sie gehören für mich zu den schönen Momenten im Juli.
Schöne Momente im Juli
Kirschen essen und die Kirschkerne gaaanz weit spucken.
Einen Sonntag auf der Gartenliege verbringen.
Einen Nachtspaziergang machen und den Himmel bewundern.
Vielleicht kommt eine Sternschnuppe vorbei geflogen.
Johannisbeeren vom Strauch naschen.
Ich bin ein Ball-Idiot.
Ich kann nicht werfen, nicht fangen, nicht zielen, nicht Fußball spielen.
Alles was rund ist, macht mir persönlich eine Menge Spaß (ich lache mich jedesmal kringelig) und treibt meine Mitspieler zur Verzweiflung.
Auch ein Kirschkern ist rund und gehört für mich damit zu den Bällen, das heißt: das Weitspucken von Kirschkernen endet bei mir meistens auf meinem weißen T-Shirt. EGAL!
Sobald die Süßkirschen reif sind, bin ich die Erste, die mit vollem Mund nuschelt: „Lascht unsch um die Wette schpucken.“
Ich liebe Kirschen.
Sie sind von der Natur auf ideale Snackgröße gebracht. Ihr Schale glänzt wie lackiert und erinnert mich an meine Lieblingsschuhe als ich ungefähr 4 Jahre alt war. Das Fruchtfleisch ist fest, saftig und süß und das Beste ist der Kern – ein richtiges Spielzeug.
Man kann daraus Ketten basteln oder Kirschkernkissen oder Gesichter reinschnitzen (wie der berühmte Kirschkern in Dresden). All das habe ich noch nie gemacht und werde das wahrscheinlich auch nie tun.
Ich behalte ihn lieber im Mund und schiebe ihn wie einen Bonbon von einer Wange in die andere. Dabei warte ich auf den richtigen Augenblick, um ihn gaaanz weit zu spucken oder weg zu schnipsen.
Eine Kirsche ist fast wie ein Überraschungsei – einfach Kind sein, einfach toll.
Da ich ja zu blöd zum Weitspucken bin, schnipse ich ihn meistens mit den Fingern. Was natürlich zu bleibenden Flecken auf Daumen und Zeigefinger führt und mich sofort als Spielkind entlarvt.
Jedes Jahr (seit ich 4 bin) versuche ich, von unserer Haustür bis zum Gartenzaun zu kommen. Und ich habe es noch nie geschafft.
Henrik lässt sich für einige Minuten im Jahr von meiner Begeisterung anstecken und spuckt und schnipst dann mit.
Er sagt dann so Sachen wie: “ Ich komme auch nicht soweit.“ “ Ach schau mal, Dein Kern war weiter.“ „Ist doch gar nicht schlimm, dass Du es nicht so weit schaffst.“ (ist er nicht lieb?) und wenn er meint, ich sehe nicht hin, schwups liegt das Ding weit hinter unserem Gartenzaun.
Henrik ist nicht so der Kirschenfreund. Er ekelt sich vor den Maden in den Früchten (die Memme). Darum spielt er mein Spiel immer nur ganz kurz mit, aber ich trainiere, bis es keine Kirschen mehr gibt.
Ich werde zwar nicht besser, aber ich habe soviiiiiiiieeeelllll Spaß und fühle mich mit Mitte 40 für ein paar Minuten im Jahr wie 4.
Da ich jetzt schon ins Kleinkindalter abgerutscht bin, laufe ich auch gleich mal mit nackten Füßen zu unseren Johannisbeeren und stecke mir die kleinen Perlen in den Mund.
Die Erde unter meinen dreckigen Füßen ist sonnenwarm, neben dem Kirschfleck auf meinem T-Shirt gesellen sich noch ein paar Johannisbeersaftflecken. Meinen Arm ziert ein langer, leicht brennender Kratzer vom Strauch, an der Wade kitzelt mich ein Käfer, um mich herum summt eine Biene … alles ist Jetzt und Hier. Alles ist perfekt.
Letztes Jahr habe ich im Juli, über die vergangenen 6 Monate gegrübelt – Kalenderblatt Juli 2019. Diesen Sommer wird mehr im Hier und Jetzt gelebt, also doch etwas dazu gelernt.
2 Kommentare
Konny
Du schreibst so schön eingängig – ich habe dich eben beim Kirschkernweitspucken beobachtete ….. und gelacht. Verzeih mir. Viel Spaß beim Fortsetzen des Trainings
Und maximalen Erfolg, Konny
Sylke
Ach wie schön von Dir zu lesen und gerne darfst Du über mich und mit mir lachen. Da freue ich mich doch. Das Training wird auf jeden Fall fortgesetzt. Ich hoffe ja aufs Alter, vielleicht geht es ohne Zähne viel, viel besser.