Grübeln über ...

Grübeln über – ZuHören

Richtiges Zuhören ist nicht einfach. Oft erwische ich mich dabei, meinen eigenen Gedanken nachzuhängen, wenn ich eigentlich zuhören sollte. Dadurch gehen mir schon mal Informationen verloren. Außerdem sind meine Ohren bei Gesprächen meistens mehr mit den Umgebungsgeräuschen beschäftigt, als mit meinem Gegenüber.

Henrik sagt: “ …“
Tja, keine Ahnung was Henrik sagt. Ich habe mal wieder nicht richtig hingehört oder überhaupt gehört.
Ich nicke zu irgendwas und hoffe, dass meine Reaktion richtig ist. Meine Gedanken sind schon beim ersten Satz abgeschweift. Sie haben sich an ein Wort gehangen und sich daran fest gegrübelt. Was Henrik sonst noch erzählt, rauscht an mir vorbei, denn mein Kopf erzählt mir ebenfalls eine Geschichte.

Wer heute noch wirklich gut zuhören kann, ist für mich ein Held.
In einer Welt – die aus Selbstdarstellern besteht, wo Schein mehr zählt als Sein, die auf laut steht und wenig auf leise, in der alles schnell gehen muss – ist Hören eine schwierige Sache geworden.
Unser Ohr kann 400.000 Töne unterscheiden und pro Sekunde ca. 50 Sinneseindrücke verarbeiten. Der Hörsinn ist rund um die Uhr aktiv und lässt sich nicht abschalten. Kein Wunder, dass wir mit dem Hören oft überfordert sind.

Was strömt da nicht alles auf einen zur gleichen Zeit ein?
Ich will ja zuhören, doch da rauscht ein Flugzeug im Hintergrund, an der fernen Ampel hupt ein Auto, unser Radio spielt leise im Hintergrund, auf der Straße höre ich ein Kind weinen und zu allen Geräuschen hat mein Kopf etwas zu erzählen. Wie soll ich da noch drauf achten, was Henrik mir sagen will?

Dabei weiß ich, wie wichtig es ist, präsent zu sein, ihm meine Aufmerksamkeit zu schenken und wirklich in diesem Moment hier bei ihm zu sein. Nur zuhören und alles andere ausblenden.
Ok, ich schaffe es, meinen Kopf auf das Gespräch zu konzentrieren, die Umgebungsgeräusche auszublenden, doch jetzt macht mein Kopf diese andere Sache. Er gibt zu allem einen Kommentar ab. Ich könnte jetzt selber Geschichten erzählen, die wahrscheinlich viel besser sind, als das, was Henrik mir gerade erzählt.

Jedoch hat auch das nichts mit zuhören zu tun.
Aber ich erwische mich oft dabei,  nicht mehr zu hören um zu verstehen, sondern um zu antworten.
So will ich eigentlich nicht sein, denn die Menschen, denen ich meine Aufmerksamkeit schenke, sind mir wichtig. Ich möchte wissen, was sie beschäftigt, wie sie sich fühlen, was ihnen gerade auf dem Herzen liegt.
Beim Zuhören geht es nicht um mich, und das ist für meinen inneren Egoisten schwer zu ertragen.

Es gibt Situationen, da gelingt mir das Zuhören ausgezeichnet, da kann ich alles um mich herum ausschalten. Andererseits geht es da wieder um mich, es sind nämlich Gespräche die MICH faszinieren. Dazu gehören zum Beispiel die Gespräche am Nachbartisch im Restaurant, wo ich eigentlich nicht hinhören sollte – verdammte Axt…

Zuhören ist wirklich ziemlich schwer. Allerdings gelingt es mir immer besser, damit achtsam umzugehen, die Fallstricke zu erkennen und mich auf Gespräche richtig einzulassen.

Henrik sagt gerade:“ … unser Computer braucht dieses neue Update … bla, bla, bla“  In meinem Kopf: „Oh, ist das schon ein Star, der im Hintergrund so schön pfeift? Sind die schon aus dem Süden zurück? Ah, ja Stare über Rom. Nach Rom könnte ich auch mal wieder oder doch lieber…“

Einfach mal der Natur zuhören.

Seid Ihr gute Zuhörer? Entwickelt Euer Kopf auch oft ein Eigenleben, obwohl Ihr Euch auf wichtige Dinge konzentrieren wollt? Müsst Ihr auch zu Allem Euren Senf dazu geben? Und habt Ihr gerne das letzte Wort?

4 Kommentare

  • Moldi

    Liebe Sylke,
    ich kann Dich so gut verstehen! Ich bin beim Zuhören auch sehr selektiv, aber ist das nicht menschlich!? Zu meinem ohnehin schon schlechten Zuhören-können kommt noch meine schreckliche Ungeduld dazu, die darauf wartet, dass die Story endlich vorbei ist. Schlimm!
    Aber es gibt auch die andere Seite – nämlich wenn mich was interessiert und ich nach Details dürste. Du wirst das kennen – wenn Dein Mann Dir eine Geschichte erzählt, die er für unwesentlich hält, die Dich aber fasziniert und Du jedes kleine Detail aus ihm rausquetschen musst. Ich erlebe das jedenfalls mit meinem Mann öfter, als dass ich ihm nicht zuhöre. Aber so ist das nun mal – ein Mann, ein Wort – eine Frau, ein Wörterbuch. Mein Mann ist meist so wortkarg, dass ich jedes Wort von ihm aufsauge, wenn er dann mal loslegt…..
    Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, bei den Menschen, die mir wichtig sind geduldiger zuzuhören, aber das Lauschen am Nachbartisch oder in der Bahn wird sich wohl nie ändern….. 🙂

    Liebe Grüße
    Moldi

    • Sylke

      Oh ja, das kenne ich auch. Wobei Henrik mir auch gerne irgendetwas über Technik erzählt. Da mein Gehirn nur begrenzten Speicherplatz hat, werden dann wichtige Sachen (wie z.B. die Kinder von Jamie Oliver heißen) zugunsten unwichtiger Technikdetails (wie ich unseren Fernseher mit der Multifunktionsfernbedienung anbekomme) gelöscht. Alles nicht so einfach.

      • Christel

        Hallo Sylke,
        das Thema hat mich angesprochen,weil dies einer der häufigsten Vorwürfe ist, die ich bekomme.Es verletzt mich, wenn man mir das sagt,denn eigentlich empfinde ich mich selbst als guter Zuhörer.Ich steige nur bei bestimmten Themen aus : wenn ich mir die x-te Diät anhören muss, die x-te Beziehungskrise ,das alles interessiert mich mich irgendwann nicht mehr, vor allem wenn nach der x-ten Besprechung des Problems sich sowieso nichts ändert und die Menschen immer die gleichen „Probleme“ haben.Dann schaltet mein Kopf auf Durchzug und ich frage mich “ wissen die eigentlich noch was echte Probleme sind? ‚ Am schlimmsten sind – ich nehme sie mal ‚Kraftsauger“- die Dir das Ohr abbauen, aber eigentlich nur ihren Ballast ablassen wollen. Einmal musste ich den Hörer hinlegen.konnte mir Kaffee eingießen und diese Person redete immer noch und hat meine Kafferpause nicht mal bemerkt.
        Unser Hirn hat enorme Kapazität, fokussiert aber eben auch nach Interessenlage.Verreist jemand? Schön,viel Spaß ,aber erwartet nicht,dass ich mir merke wann und wohin,sorry. Wieder neu verliebt? Prima. Aber ich konnte mir schon den letzten Namen nicht merken .
        Hast Du ernsthaft was zu erzählen, ein nicht zu bewältigendes Problem? Dann bin ich da,Tag und Nacht.Aber “ das hab ich Dir aber schon mal erzählt“ ,da bekomme ich selbst ne Krise
        Grüße Christel

  • Reinhard

    Zitat:
    Wenn eine Frau nicht spricht,
    soll man sie auf keinen Fall unterbrechen!
    Clint Eastwood
    Und unsere Ohrenärztin sagt:
    – eine kleine Schwerhörigkeit ist eine gute Voraussetzung für
    eine langjährige Ehe!

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