Deutschland – StadtBegegnungen
#50 Deutschland – StadtBegegnungen
Lied zum Text: Clueso „Jede Stadt“
Diesmal erzählen wir Euch ein paar Geschichten aus den deutschen Städten und Dörfern, denen wir auf unserer Reise begegnet sind. Selten fährt man in unserem Land länger als eine halbe Stunde bis zum nächsten Ort. Die Dörfer reihen sich mehr oder weniger aneinander und es gibt immer etwas zu entdecken.
Da das Monster nicht für Großstädte geeignet ist, haben wir diese umfahren und uns auf die kleineren konzentriert. Als wir im Frühjahr durch Schottland fuhren und alle paar Kilometer auf neue Burgruinen trafen, sagten wir noch voller Überzeugung: „Soviel Geschichte und so viele, schöne Burgen, das fehlt in Deutschland.“ Ähm, ja – ich gestehe, wir waren etwas dumm oder Schottland hatte uns zu sehr verzaubert.
Denn auch in Deutschland stolpert man dauernd über Burgen, Schlösser, Gutshäuser und Kirchen und deren Geschichte ist oft uralt. Sie fallen jedoch oft nicht so auf, weil sie nicht in einer menschenleeren Gegend stehen, sondern eingebettet in Dörfer sind und weiter genutzt werden.
Allein in unserer Heimat- und Herzensstadt Berlin gibt es über 350 Kirchen und fast 30 Schlösser oder Herrenhäuser. Wer hätte das gedacht? Wir nicht, denn eingebaut in Häuserzeilen sind sie manchmal kaum erkennbar.
Neues das wie Altes aussieht
Vor unserer Deutschlandreise nehmen wir uns vor, den Blick etwas zu verändern und mehr auf diese Gebäude zu achten. Kaum sind wir darauf fokussiert, sehen wir sie überall. Hier ’ne Burg, da ein Schloss, dort ein Dom.
Unsere erste Stadt auf dem Weg ist die Lutherstadt Wittenberg.
Als Kind, vor über 25 Jahren, war ich zum letzten Mal dort. Schon damals war die Stadt schön. Aber ich sehe sie immer in grau, wie auf alten Schwarz-Weiß-Fotos.
Jetzt leuchtet sie. Die alten Häuser sind saniert, es gibt nette, kleine Cafés und interessante, sehenswerte Läden und natürlich ganz viel Historisches. Es macht Spaß, durch Wittenberg zu bummeln und wir werden demnächst mal wieder vorbei kommen.
Über Dessau fahren wir weiter nach Hildesheim. Wobei wir in Dessau durch die Ebertallee fahren, um uns die Meisterhäuser aus der Bauhaus-Ära anzusehen. Diese sind mittlerweile fast 100 Jahre alt und super modern.
Den krassen Gegensatz dazu bietet dann die Innenstadt von Hildesheim. Hier laufen wir über den Rosenweg (auf dem Pflaster sind Rosen eingelassen und diesen soll/kann/muss man folgen, um die wichtigsten Sachen zu sehen). Erst sind wir etwas enttäuscht, viele
50-er Jahre Bauten, hässliche Straßenzüge, doch dann kommt die Innenstadt und die hat einiges zu bieten.
Vor allen Dingen wenn man weiß, dass auch hier die meisten „alten“ Fachwerkhäuser fast neu sind. Die Hildesheimer Altstadt wurde zum Ende des 2. Weltkrieges fast vollständig zerstört und danach originalgetreu wieder aufgebaut. Das ist kaum zu glauben, wenn man auf dem mittelalterlichen Marktplatz steht.
Wir schauen uns auch den berühmten 1000-jährigen Rosenstock im Hildesheimer Mariendom an. Mehr als die Sage darum, bewegt uns seine Geschichte nach dem 2. Weltkrieg. Auch der Dom und der Rosenstrauch waren wohl komplett zerstört. Doch im nächsten Frühjahr kam unter dem Schutthaufen die ersten Rosenranken heraus und gaben so den Hildesheimer Hoffnung für einen Wiederaufbau ihrer Stadt.
Stadtbummel
Im Landkreis Schaumburg laufen und fahren wir durch einige schöne Dörfer. Hierzu zählt auf jeden Fall Stadthagen. Wir wollen uns auch das Schloss Bückeburg ansehen, was aber auf Grund eines fehlenden Parkplatzes für den Wohnwagen nicht klappt.
Von Minden und Kassel sind wir nur mäßig angetan, dafür erobert Erfurt sofort unser Herz. So eine schöne, lebenswerte Stadt.
Bevor wir uns in den kleinen Gassen verlieren, essen wir erstmal Kuchen auf den Stufen des Domplatzes und schauen auf die Stadt hinunter. Hinter uns erhebt sich der mächtige Dom mit der größten, freischwingenden, mittelalterlichen Glocke der Welt – der Gloriosa. Unter uns liegt der Marktplatz. Ein schöner Beginn für eine Stadteroberung. Einen langen, entspannten Nachmittag verbummeln wir in Erfurt und zum Abendbrot gibt es eine Thüringer Rostbratwurst und ein Bier, dass uns nach dem Tag ordentlich ins Schwanken bringt. Auch Erfurt haben wir uns für einen weiteren Besuch vorgenommen.
Gleich nach Erfurt kommt die nächste Knallerstadt mit Bamberg. Wir rollern über den Luisenhain, immer an der Regnitz lang, in Bamberg rein. Da Bamberg auch Klein-Venedig genannt wird, ist das ein guter Anfang der Stadtbegehung. Den Bamberger Reiter bekommen wir im gewaltigen Bamberger Dom nicht zu Gesicht. Man möge es kaum glauben, aber im Dom gab es einen Gottesdienst. Dazu wurde er für Touristen geschlossen und danach war Feierabend. Das ist jedoch nicht so schlimm, denn die Stadt hat mehr zu bieten als die berühmte Figur. Am Postkartenmotiv, dem Rathaus, sind auch am Abend noch viele Menschen unterwegs. Hochzeitspaare lassen sich davor fotografieren, die asiatischen Touristen holen ihre riesigen Kameras oder obligatorischen Tablets hervor, Junggesellenabende werden zelebriert und wir haben viel zu gucken. Bei deftiger Hausmannskost und einem Rauchbier lassen wir diesen Tag ganz genussvoll ausklingen.
Erst Natur dann Romantik
Auch in Weltenburg treffen wir auf viele Touristen, die sich das Kloster, so wie wir, ansehen. Faszinierter als vom Kloster sind wir von der Befreiungshalle bei Kehlheim. Im Sonnenlicht leuchtet das über Kehlheim gelegene Bauwerk strahlend weiß. Wir müssen fast die Augen zusammenkneifen, um nicht geblendet zu werden. Wir haben vorher noch nie etwas davon oder darüber gehört und können es vor allem wegen der unglaublichen Aussicht wärmstens empfehlen.
Noch weiter südlich sind die Dörfer und Städte für uns eher Nebensache. Hier ist die Natur so unglaublich schön, da kommen die Städte nicht so richtig mit. Wir laufen durch Prien am Chiemsee und sehen eigentlich nur den See und den Ausblick auf die Alpen. Was könnte mit diesem Blick schon mithalten?
So geht es uns auch in Bad Reichenhall. Klar ist ein Abend in der Therme nach einem Wandertag schön, auch dass man Essen gehen kann und alles für den täglichen Bedarf bekommt, allerdings wandern unsere Augen immer Richtung Berge. Die Dörfer und Städte interessieren uns nicht. Weder am Tegernsee noch bei Neuschwanstein.
Erst auf dem Weg von Füssen nach Dinkelsbühl auf der romantischen Straße schenken wir den Dörfern wieder Beachtung. Und diese Dörfer sind sehens- und erlebenswert. Besonders Dinkelsbühl hat es uns angetan. Eine Zeitreise ins Mittelalter beginnt man, sobald man das Stadttor hinter sich lässt und in Dinkelsbühl eintritt. Fachwerkhäuser über Fachwerkhäuser, schmale Gassen, große Kirchen, kleine Plätze mit Springbrunnen und überall wird das Leben gefeiert. Dinkelsbühl ist kein Museumsort. Vor dem Dom wird gegen Atomkraft demonstriert, vor den Läden halten die Einheimischen ein Schwätzchen, am Marktplatz wird Fußball geschaut, die Kinder holen sich ein Eis und die Touristen verschwimmen darin.
Schöne Städte
Zwei Tage später stehen wir in Heidelberg und sind auch hier schwer begeistert. Wir fahren von unserem Campingplatz, direkt am Neckar, mit der Bahn nach Heidelberg und kommen noch vor den Touristenbussen an. Wir haben somit die erste Stunde in Heidelberg noch fast für uns und danach fühlen wir uns wie in Asien. Die Japaner lieben diese deutsche Stadt.
Sie liegt eingebettet zwischen den Bergen und von den Anhöhen, wie zum Beispiel vom Schloß oder vom Poetensteig, kann man auf die ganze Altstadt blicken. Bei über 30°C haben auch wenig Touristen Lust, die Höhen zu ersteigen. Damit haben wir die Aussichtspunkte für uns allein.
Nach Heidelberg fahren wir durch den Pfälzer Wald, wenig Dörfer, keine Städte kreuzen unseren Weg, nur dunkler, unheimlicher Wald und ab und zu ein Häuschen. Umso überwältigender ist es, als sich vor uns über Trittenheim der Blick auf die Moselschleife und die umgebenen Dörfer öffnet. Hier an der Mosel verbringen wir einen Tag in der ältesten Stadt Deutschlands – in Trier- und fahren schnell mal nach Luxemburg rein, um auch mal in diesem Land gewesen zu sein. In Trier ist gerade Stadtfest und dadurch ist es mächtig voll. Der Vorteil- es wird überall Musik gemacht, selbst im Dom singt ein Straßenchor – ein Gänsehautmoment. Außerdem gibt es einen Imbissstand nach dem anderen. Einen angenehmen Tag verbringen wir in der altehrwürdigen Stadt und schauen uns nicht nur die Porta Nigra, die römischen Thermen, den Dom sondern auch das Geburtshaus von Karl Marx an.
Zwei Tage fahren wir danach durch die Moseldörfer und beschließen, diese irgendwann mit dem Fahrrad abzufahren.
In der Nähe von Koblenz machen wir uns langsam auf die Heimreise. Auf dem Weg schauen wir noch in Wetzlar, Bad Wildungen und Bad Frankenhausen vorbei, bevor wir in der schönsten Stadt der Welt einfahren – Berlin.
4 Kommentare
Christel
Hallo Sylke,
schön,dass es Euch so gut geht.Ich hatte eben spontan den Gedanken wieviel Stunden ich im Büro verbracht hatte,seitdem Du unterwegs bist: 3800 Stunden ,ürg.Es sei Euch gegönnt.Vielleicht erkundigt Ihr irgendwann die Weinberge in diesem Land mit Weinprobe.Das wärs doch ,die Landschaften dort sind auch herrlich.Burgen finde ich auch toll.Kennt Ihr die Marksburg? Ansonsten freue ich mich weiterhin auf tolle Bilder von Euch 🙂
Sylke
Hallo Christel,
die Marksburg kennen wir noch nicht. Ich werde sie gleich auf unsere „Noch-Ansehen-Liste“ setzen.
Mit dem Wein, dass ist so ein Ding. Ich würde gerne eine Weinverkostungstour an der Mosel oder im Saale-Unstrut-Land machen. Ich sehe uns schon mit abgespreiztem kleinem Finger das Weinglas haltend im mittelalterlichen Weinkellern stehen, aber wir trinken keinen Wein. Also müssen wir uns eine Traubensaftverkostung suchen, irgendwie fehlt dem wieder der Flair. Naja egal, dann lassen wir unsere Augen die Schönheit der Natur aufsaugen.
Liebe Grüße Sylke
Konny
Ja ja, warum eigentlich in die Ferne schweifen? Mal wieder ein toller Bericht, der mich bestärkt, Deutschland einmal zu erwandern. Bei dem Bild „liegende Sylke“ dachte ich sofort an das zuvor beschriebene „Bier, dass uns nach dem Tag ordentlich ins Schwanken bringt“. Umwerfend! 😉 Genau so schön wie das Straßengespräch der Superhelden. Find ich schön. Dass es das Bild des Straßenbaus in eure „Top-Liste“ schafft, zeigt mal wieder euren anderen Blick auf die Dinge. Ganz liebe Grüße und vielen Dank für die Begegnungen, Konny
Sylke
Hallo Konny,
unser Heimatland ist wirklich schön und das mit dem Erwandern haben wir auch schon mal angedacht. Im Moment versuchen wir uns an Fahrradtouren (wobei mein Hintern eher fürs Wandern ist ;o) ). Der Straßenbau in Deutschland ist ein Hammer, keine Stadt ohne großes Loch in der Mitte. Keine Straße ohne Umleitung. So lernt man auch mal neue Wege kennen, nur Zeit muss man haben…
Ganz liebe Grüße zurück und weiterhin ganz viel Erlebnishunger.