Kalenderblätter

November 2021 – Unperfekt schön

Tropf, Tropf, Tropf – Regen trommelt auf unser Wintergartendach. In kleinen Bächen rinnt das Wasser an den Fenstern runter. Draußen ist es grau, nass und kalt, doch ich sitze in einem Kokon aus Licht, Wärme und Farben. Um mich herum herrscht buntes Chaos: Stifte, Papier, Zeitungen, Farben, Scheren und Pinsel liegen kreuz und quer auf dem Tisch und ich bin versunken in meiner schillernden Welt aus Kritzeleien.
Denn so herrlich unperfekt wie das Wetter draußen ist, sind auch meine unperfekten, schönen Kunstwerke.

Jetzt erstmal von vorn: Das Wort unperfekt gibt es, glaube ich, gar nicht. Aber alle Wörter, die das Gegenteil von perfekt bedeuten, sind wirklich nicht schön und können nicht zeigen, was ich meine. Meine Kreativschübe sind nur ganz selten minderwertig, unzureichend, schäbig, schlecht… vielleicht noch eher unvollkommen, doch meistens richtig wunderbar unperfekt.

Der November kitzelt aus mir immer die Kreativität hervor. Wenn das Wetter über mehrere Tage wirklich ungemütlich ist und selbst ich keinen Spaß mehr an Spaziergängen im Regen und Nebel habe, dann brauchen mein Kopf und meine Hände etwas zu tun. In diesem Jahr hat es mir mal wieder das Papier angetan und vor allem das Malen darauf.

Seit ich ein kleines Mädchen bin, male ich gerne.
Ich bin nicht besonders begabt, was das Pinsel schwingen angeht, es macht mir nur viel Spaß.
Eine lange Zeit dachte ich, wenn dabei nichts rauskommt, dass perfekt ist, zum Beispiel etwas, was man in eine Galerie hängen oder verkaufen kann, dann sollte ich damit nicht meine Zeit verschwenden. Und so verschwanden die Stifte, Farben und Pinsel sehr lange in einer Schublade. Doch es gab immer wieder Momente (oft im November), in denen ich sie vor holte und nur für mich malte, schmierte, kleckste.

Mittlerweile macht es mir gar nichts mehr aus, unperfekt zu sein und ich verschenke meine „Kunstwerke“ gerne. Zum Anfang mit einem unguten Gefühl „Hoffentlich denkt XY nicht, dass ich ganz vergesse habe, eine Geburtstagskarte zu kaufen und deshalb schnell etwas selbst gemalt habe.“
Inzwischen mit Stolz: „Schau mal, das habe ich nur für Dich gemacht.“

Ganz viel von meinem Gemale bleibt jedoch bei mir, denn es ist herrlich, sich nicht zweckgebunden auszutoben und zu probieren. Ich kritzele Blätter nur für mich voll, probiere hier etwas aus, schmiere da etwas rüber. Es macht mir an einem grauen Novembertag allein schon Spaß, meinen Faber-Castel Kasten rauszuholen (übrigens eines der schönsten Geburtstagsgeschenke, das Henrik mir vor bestimmt 20 Jahren gemacht hat). All die bunten Stifte, all die Möglichkeiten, die Freude auf das Bunte, das gleich entsteht.

Natürlich ist mein Kopf, kurz bevor ich mit dem Malen anfange, leer gefegt, mir fällt dann erstmal gar nichts ein, was ich zu Papier bringen könnte. Hier hilft einfach Machen, mit der Zeit entsteht schon etwas.

Wenn gar nichts geht, gibt es heute zum Glück die weite Welt des Webs und Bücher, die einem mit der eigenen Kreativität helfen und Inspirationen liefern. Klar werden meine Blumen, Tiere, Landschaften nicht ganz so schön, wie die auf Instagram gemalten. Doch das ist völlig egal. Es geht einfach um den Spaß und die Freude, Neues zu probieren oder auch tausendmal die gleich Blume zu malen, bis sie für mich einfach perfekt ist.
Denn in solchen Moment geht es nur um mich, egal ob ich das Bild nachher an die Wand hänge oder alles in den Papierkorb wandert. Ich habe mir selber Zeit geschenkt, Augenblicke, die ich nur mit mir verbringe und ich habe mir etwas Gutes getan.

Dafür ich mag ich den November, dass er mich manchmal zu meinem eigenen (un-)perfekten Selbst führt.

PS: Wir waren vor kurzem in der Ausstellung „The cold and the cool“ im wunderschönen Martin-Gropius-Bau und bei einigen Bildern kam mir der Gedanke: „Na jut, die kann ick och.“
Wahrscheinlich eher nicht, weil mir schon die künstlerische Sichtweise darauf fehlt und die Idee dazu sowieso. Aber ehrlich, so einen Jackson Pollock hinzu klecksen, kann doch nicht so schwer sein…

PSS: Ich gehe gerne in Ausstellungen und in Berlin und Potsdam gibt es dazu viele Möglichkeiten. Einer meiner liebsten Ausstellungsorte für moderne Kunst ist der Hamburger Bahnhof, da ist allein schon das Gebäude inspirierend.

 

 

Wer noch nicht genug vom November hat: hier geht es zu den Kalenderblättern November 2019 und 2020.

 

 

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