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Berliner Fahrradtour

#51 Berliner Fahrradtour
Lied zum Text: Queen „Bicycle Race“

Ich bin ganz aufgeregt und muss Euch an unserer letzten Fahrradtour teilhaben lassen. Wir sind den Berliner Mauerweg gefahren und sind total begeistert. Erstmal von uns selbst, dass wir die 160 km (mit An- und Abfahrt 175km) in 3 Tagen ziemlich entspannt geschafft haben und vom Weg selber, der für uns Flachlandradler richtig schön war.

Schon seit Jahren möchte ich den Berliner Mauerweg mit dem Rad fahren, doch mit  meinem alten Eisenschwein (einer 20 Jahre alten Gazelle) traute ich mich da nicht ran. Doch jetzt haben wir neue Räder und altersentsprechend sind das E-Bikes, damit gibt es also keine Ausreden mehr.
Nur mein Hintern stöhnt schon vorab und hat ein wenig Angst vor dem mehrstündigen Sitzen im Sattel.
Der heiße Sommer bringt ihm nochmal Aufschubzeit, bei mehr als 30°C wollen wir nicht los.
Endlich – letzte Woche Montag – ist es dann soweit. Wir packen unsere Sachen auf die Räder und starten bei schönen 22°C und bedecktem Himmel auf die West-Berlin-Umrundung.
Henrik hat uns vorher bei der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz die dazu gehörigen kostenlosen Karten besorgt. Die sind wirklich gut gemacht, geben eine Menge Infos zum Radweg und werden uns in den nächsten 3 Tage weiterhelfen.

Erster Tag

Wir wohnen nah am Beginn der Südroute und legen von da auch los. Unser Motto ist: „Gemütlich kommt man auch ans Ziel“ und so halten wir nach den ersten Metern, um die Wasserbüffel und Pferde im Landschaftspark Rudow-Altglienicke zu beobachten. So wird es weitergehen, immer wieder halten wir an und schauen auf die Natur um uns herum. Denn hier auf der Südroute fährt man fast durchgängig durchs Grün. Dass rechts neben uns eine Großstadt liegt, bekommen wir nicht mit. Auch nicht auf den kurzen Stücken an der Gropiusstadt vorbei oder durchs Wohngebiet in Lichtenrade. Es ist Montag-Mittag, das heißt, kaum Verkehr auf der Straße, alles ist ruhig.
Auch auf dem Mauerweg ist kaum etwas los. Ab und zu kommen uns Radfahrer entgegen oder wir überholen Spaziergänger mit ihrem Hund. Die meiste Zeit haben wir den gut ausgebauten Radweg für uns.
Am Rand stehen immer wieder orangefarbene Säulen, die an die 136 Maueropfer und ihre Geschichte erinnern. Das graue Schild „Mauerweg“ übersehen wir dagegen gerne. Erst am zweiten Tag haben wir uns darauf eingeguckt.

In Teltow machen wir direkt am Kreisverkehr Halt, essen Kuchen und Eis. Wir müssen die verbrauchten Kalorien wieder reinholen. Gut gestärkt schwingen wir uns wieder auf die Räder. Jetzt geht es am Teltowkanal entlang. Henrik meint: „Wenn wir jetzt ein Floß hätten, könnten wir uns zurück nach Hause treiben lassen.“
Ab Düppel fahren wir nur noch geradeaus auf dem Königsweg lang. Einen kurzen Schwenker machen wir zum ursprünglichen Kontrollpunkt Dreilinden. Dabei fahren wir mitten im Wald durch eine große Brücke. Hier führte mal die Autobahn lang. Jetzt holt sich die Natur wieder, was ihr mal genommen wurde. Genauso ergeht es dem alten Kontrollpunkt Dreilinden. Bäume wachsen durch den Asphalt, Unkraut erobert jeden kleinen Riss im Gemäuer.
Auf dem Kolonnenweg direkt am Teltowkanal fahren wir nach Babelsberg, bis sich vor uns der Griebnitzsee öffnet. Die ersten 50 km haben wir geschafft.

Der zweite Tag

Der zweite Tag beginnt mit einem Frühstück mit Blick auf den Griebnitzsee. Mein Allerwertester hat sich wieder erholt und stöhnt nur ganz leise, als er den Radsattel wieder berührt. Die ersten Kilometer muss er sowieso nur wenig darauf sitzen, ständig halten wir an, um uns die Villen anzusehen, im Park Babelsberg halt zu machen, auf der Glienicker Brücke zu stehen und die Aussichten über den Wannsee zu genießen. So kommen wir, getreu unserem Motto, ziemlich gemütlich am Fährhafen am Wannsee an. Die Fähre bringt uns auf einer 20 minütigen Fahrt über den See nach Kladow. Hier geht es weiter an Villen vorbei, auf wenig befahrenen Dorfstraßen. Am ehemaligen Rittergut Groß Glienicke machen wir eine kleine Pause. Ein paar Mauerreste und die obligatorische Kopfsteinpflasterlinie  markieren den Verlauf der Mauer, die hier mitten durchs Rittergut ging.
Die aus unserer Sicht sehr verquere Linienführung der Mauer überrascht uns die ganze Zeit auf der Fahrt. Es gibt kaum schnurgerade Strecken, die ehemalige Grenze windet sich durch die Berlin-Brandenburgische Landschaft und verknotet sich an manchen Stellen fast.
Gleich hinter Groß Glienicke gibt es mal eine 5,5 km gerade Strecke an der Potsdamer Chaussee entlang. Dann zeigen die Wegweiser bereits Spandau an. Doch auch dort fahren wir immer im Grün oder in Laubenkolonien am Stadtrand entlang.
Bei Fort Hahneberg schauen wir über die bizarre Ruinenlandschaft, wieder ist es kaum zu glauben, dass das quirlige Berlin nur einen Steinwurf entfernt ist.
Nach Staaken geht es durch den Spandauer Forst, vorbei an weiteren Gedenksteinen und  -tafeln. Den letzten Teil der 2. Etappe fahren wir an der Havel entlang, wo in Nieder Neuendorf auch noch ein Grenzturm steht.
Ein paar Kilometer weiter machen wir in Hennigsdorf Halt. Weitere 50 km sind geschafft.
Diesmal beschwert sich mein Hintern richtig. Ich denke besorgt an den nächsten Tag, immerhin liegen noch 70 km vor uns und die wollen wir komplett durchfahren.

Der dritte Tag

Wir stehen beide stöhnend auf. Die Nacht im Hotel war nicht so der Hit, außerdem beschweren sich ein paar Gelenke und mein Po meldet, er braucht noch 14 Tage Erholungszeit. „Nüscht ist mein Lieber, heute werden die Zähne zusammengebissen und dann kannst Du abends wieder in deinem eigenem Bett schlafen.“
Er murrt zurück und beschwert sich, als wir wieder aufs Rad steigen. Irgendwann gibt er auf und meldet sich nur noch beim Auf- und Absteigen.
Auch auf dieser letzten Etappe fahren wir durch ganz viel Natur. Durch die Bieselheide mit einigen nicht so guten Kopfsteinpflasterwegen fahren wir in Glienicke/Nordbahn rein, weiter durch Lübars mitten durchs wunderschöne Fließtal und den Freizeitpark Lübars. Ein schöner Blick auf Berlin öffnet sich hier. Über die Felder schaut man bis zum Fernsehturm, der ab hier der Wegweiser in die Stadt sein wird.
Am Außenrand des Märkischen Viertels, dass fast idyllisch wirkt, fahren wir in ein altes Industriegelände. Eine gefühlte Ewigkeit fahren wir am ehemaligen Borsigstandort in Wilhelmsruh vorbei. An dieser Stelle ist der Mauerradweg schmal und ziemlich holprig, auch die Aussicht lässt zu wünschen übrig.
Am Ende des Weges beginnt die Stadtetappe, den Start dabei macht die Bornholmer Straße. Wobei es erstmal sehr ruhig durch den Mauerpark geht, in dem zu Zeit gebaut wird.
Bevor wir uns ins Stadtgetümmel stürzen, stärken wir uns noch mit vietnamesischen Essen und gut gekühltem Eistee an der Schwedter Straße.
Heute ist es wieder mächtig warm, so dass wir auch immer wieder Trinkpausen einlegen. Durch die Stadt geht es sowieso nicht schnell. Laufend muss man absteigen, um Baustellen zu queren- das ist Berlin …. oder sich durch die Autos, die auf dem Fahrradweg parken, durch zu quälen.
Wir kennen den größten Teil der Strecke bereits durch andere Stadtfahrten. Doch den Radweg am Invalidenfriedhof kennen wir noch nicht und sind über die Bauvorhaben am Spreeufer überrascht. Mittlerweile wird hier jeder Zentimeter zugepflastert.
Am Reichstagsgebäude, Brandenburger Tor und Holocaust Denkmal vorbei, noch über den Pariser Platz und schon haben wir das verkehrsreichste Stück der Strecke geschafft.
Im Café am Engelbecken gibt es nach dem Stress erstmal ein Stück Kuchen.
Jetzt noch ein Stück durch Kreuzberg und Treptow und schon sind wir wieder ganz ruhig auf dem sehr gut ausgebauten Mauerradweg in Treptow-Köpenick unterwegs.
Mein Hintern merkt, dass er bald zuhause ist und stöhnt jetzt laut :“ Ich will runter vom Sattel.“ Ein Mantra macht sich in meinem Kopf breit: “ Nicht mehr weit, gleich ist es geschafft.“
Kurz vor 17 Uhr stehen wir wieder am Ausgangspunkt im Landschaftspark Altglienicke. Noch 5 km und ich kann mich auf dem Bauch auf die Couch legen.
Ich merke, dass nicht nur mein Po verspannt ist, sondern auch mein Gesicht vom Dauergrinsen. Es war so eine schöne Tour und ich habe nur vor mich hin gelächelt, die ganze Zeit.
Leicht erschöpft und ganz stolz kommen wir nach 175 km zuhause an.

Fazit

Eine schöne Strecke hat Berlin mit dem Mauerradweg zu bieten. Sie ist nicht besonders anspruchsvoll, eignet sich aber besonders für Genussradler, wie uns.

Wir haben uns auf dem Weg viel über die Geschichte der Mauer unterhalten.
Obwohl wir unsere Kindheit und den größten Teil unserer Jugend in der DDR verbracht haben, ist diese Zeit schon so unendlich weit weg. Sie scheint wie ein längst vergangener Traum und wir können uns kaum in diese Zeit zurückversetzen.
Eines ist jedoch ganz tief in meinem Herzen verankert, das große Glück, in Freiheit zu leben. Denn die Gedankengänge aus meiner Kindheit wie „In 50 Jahren kannst Du auch mal rüberfahren und dir ansehen, was auf der anderen Seite ist.“ sind gerade hier auf dem Mauerweg immer wieder präsent.
Seit mehr als 25 Jahren lebe ich in Freiheit und freue mich immer wieder darüber. In unserem Staat ist im Moment nicht alles perfekt (war es eigentlich noch nie), aber dieses besondere Gut, ist für mich das größte Glück, denn ich kenne es noch anders.

Tipps:
  • Besorgt Euch vor der Fahrt auf dem Mauerradweg die kostenlosen Karten bei der Senatsverwerwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. Hier der Link.
  • Auch ein Blick auf www.berlin.de/mauerweg hilft bei der Vorbereitung und auf dem Weg.
  • An jeder Kreuzung oder Abzweigung gibt es das graue Mauerwegschild. Dieses ist immer auf Straßenschildhöhe angebracht und manchmal auch auf der „falschen“ Seite. Außerdem gibt es aufgesprühte weiße Pfeile direkt auf dem Weg (weißer Pfeil mit drei Punkten).
  • Jede Etappe kann natürlich auch einzeln gefahren und überall unterbrochen werden. Die Strecke verläuft oft nahe der S-Bahn Linie. Wenn man genug hat, einfach mit den Rad in die S-Bahn steigen und nach Hause fahren.
  • Da die Stecke an Berlin vorbei läuft, muss man sich ums leibliche Wohl keine Sorgen machen.
  • Also Trinken einpacken, Rad rausholen und einfach losfahren.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

5 Kommentare

  • Andreas

    Schöner Artikel !
    Ihr habt bestimmt viel Spaß gehabt……..
    Man lebt in Berlin und kann doch noch soviel „neues“ erkunden.

    Wenn man bedenkt, dass der Rekord bei 13 Stunden und 6 Minuten (Laufen) liegt, dann habt Ihr das sogar entspannt angehen lassen.

    Allerdings möchte ich nicht über 175 km auf dem Sattel nachdenken. Da reicht mir mein stündlicher Ausritt

    • Sylke

      Und ich möchte das nicht in 13 Stunden und 6 Minuten laufen ;o) – ist ja unglaublich. Insgesamt haben wir 11 Stunden im Sattel gesessen und das ist für den Hintern gewöhnungsbedürftig. Andererseits ist das eine schöne Art zu reisen und wir haben uns vorgenommen solche „kleinen“ Touren öfters zumachen.
      Bis bald

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