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Deutschland – Begegnungen mit unseren Füßen

#49 Deutschland – Begegnungen mit unseren Füßen
Lied zum Text: Madsen „Wo es beginnt“

Meine Füße stöhnen. Sie haben das Gefühl, einmal quer durch Deutschland gelaufen zu sein. Wobei mein Kopf darüber nur müde lächelt und das Stöhnen abtut: “ Jungs, soviel war es nun auch wieder nicht. Außerdem seid ihr zum Laufen geschaffen, macht mal nicht so viel Aufheben um die paar Kilometer.“ Zur Ehrenrettung meiner Füße muss ich sagen, sie haben mich die letzten vier Wochen an viele tolle Orte getragen und das fast immer bei 30°C .

Eine Traum(a)-Wanderung

Meine Füße stöhnen wahrscheinlich so laut auf Grund eines Lauftraumas. Das haben sie bei der Wanderung zum Kaiser-Wilhelm-Denkmal an der Porta Westfalica erlitten. Ich erzähle Euch mal die Geschichte dazu.
Unser Tag begann ganz ruhig mit einem Bad im Steinhuder Meer. Die Sonne knallte schon ordentlich auf die Erde und wir beschlossen, den Tag auch weiterhin ganz ruhig anzugehen. Es sollte Richtung Minden gehen. Dabei wollten wir noch in Stadthagen anhalten und uns dort den Marktplatz und das Schloss ansehen.
Gesagt, getan. Eine Umleitung führte uns weit durch den Landkreis Schaumburg, wir fuhren am Sumpfgebiet des Steinhuder Meeres vorbei, durch goldene Felder und grüne Wälder. Kleine Dörfer leuchteten in der Morgensonne und so waren wir schon fast eine Stunde unterwegs, bevor wir in Stadthagen halt machten.
Stadthagen ist wirklich sehenswert. Es gibt viele Fachwerkhäuser, einen schönen Marktplatz (auf dem auch gerade Markt war), eine kühlende Kirche und ein großes Schloss, in dem heute das Finanzamt untergebracht ist. Hier bummelten wir so vor uns hin, holten uns etwas zu trinken und hatten nach 1 1/2 Stunden 5 km in den Füßen.
Das Thermometer zeigte mittlerweile 28°C an.
Wir liefen zum Auto und wenn kein See in der Nähe ist, ist das Auto der beste Platz zum Abkühlen. Wir machten die Klimaanlage an und weiter ging es nach Minden.

Wir stellten das Monster direkt an der Weser ab und suchten uns eine Eisdiele in Minden. Hier war gerade Feiertag. Alle Geschäfte waren zu und Minden wirkte wie ausgestorben. Klar bekamen wir unser Eis und beim Schlecken überlegten wir, was wir mit dem Rest des Tages machen wollen. Nebenbei trugen uns die Füße weitere 4 km durch die Stadt.  Von unserem Parkplatz konnten wir das Kaiser-Wilhelm-Denkmal sehen. Was lag also näher, als mal schnell rauf zulaufen und die Aussicht zu genießen.

Direkt unterm Denkmal fanden wir einen Parkplatz für Auto und Monster und gleich daneben gab es ein Schild mit der Beschriftung “ Von hier 30 min bis zum Denkmal“.  Wir deuteten das als gutes Zeichen für einen entspannten Nachmittagsspaziergang.
Da die Temperaturen mittlerweile bei über 30°C lagen, packte ich etwas zu trinken und etwas Obst ein.
Und schon liefen wir im Schatten der großen Bäume, immer leicht bergan. Wenn die Bäume eine Lücke ließen, konnte man weit über das Weserbergland schauen. Wir quatschten, setzten einen Fuß vor den anderen, schwitzten vor uns hin und nach einer halben Stunde schauten wir aufs Navi um zu sehen, wie weit es noch ist. Wir hatten nämlich irgendwie das Gefühl, uns immer weiter vom Denkmal zu entfernen und das Navi gab uns Recht. Ok, es ging den Berg in Serpentinen hoch – sehr langgezogenen Serpentinen. Wir liefen also weiter, wir hatten ja ein Ziel – das Kaiser Wilhelm-Denkmal. Nach einer weiteren halben Stunde standen wir am Moltketurm, das blöde Denkmal war immer noch nicht zu sehen.
Meine Motivation ließ mittlerweile zu Wünschen übrig, doch jetzt umkehren wäre dämlich gewesen. Wir stolperten mittlerweile durch den Wald, es ging immer noch bergan. Ich konnte beim Miss Wet-T-Shirt Contest mit machen, so durchgeschwitzt war ich. Dann öffneten sich die Bäume etwas, wir hörten andere Menschen und Kaiser Wilhelm stand vor uns. Eine Stunde und zwanzig Minuten hatten wir gebraucht (von wegen 30 Minuten). Was uns etwas wunderte, mit uns standen Frauen in Pumps und Männer in Flip Flops vor dem Denkmal.
Wie waren die hierher gekommen?

Wir hatten kaum Augen für den grandiosen Ausblick der sich uns bot und auch das überdimensionierte Denkmal interessierte uns nicht wirklich. Wir suchten einen einfachen Weg dort runter. Unser Auto und das Monster stand nur 300 Meter unter uns. Wo verdammt war der kurze Weg?
Um es kurz zu machen, wir fanden ihn nicht. Die anderen Menschen standen auf einem anderen Parkplatz dieser war 30 Minuten asphaltierten Weg vom Denkmal entfernt. Doch leider nichts für uns, wir brauchten ja unser Auto.  Völlig frustriert machten wir uns auf den Rückweg. Wobei wir immer wieder nach Abkürzungen suchten. Doch Schilder mit der Aufschrift „Achtung Lebensgefahr, Abbruchkante“ hielten uns vor allzu waghalsigen Abgängen ab. Wir fanden noch einen etwas kürzen Weg. Der war als offizieller Wanderweg ausgeschildert, führte über Geröll, direkt am Hang lang, unter umgefallenen Bäumen hindurch, neben uns gab es eine Stromleitung, die von einem runterfallenden Ast beschädigt war und Brombeerranken hielten uns immer wieder fest. Ich würde mal sagen „Lebensgefahr“ -vor allem für Henrik. Meine Laune war am Tiefpunkt und er das einzige, lebendige Wesen in der Nähe. Nicht schön für ihn.
Nach einer Stunde Abstieg standen wir völlig erschöpft und durstig am Auto. Mittlerweile wurde es bereits dunkel und der Campingplatz, den wir angepeilt hatten, sollte  in 30 Minuten schließen. Die Stimmung im Auto war weiter angespannt.
Doch als wir dann 20 Minuten später den Campingplatz erreichten, ein nettes Plätzchen zugewiesen bekamen und unsere erhitzten Gemüter, unsere müden Körper und unsere brennenden Füße in der Weser abkühlten, war wieder alles gut. Nur unsere Füße brauchten etwas länger, um sich zu erholen.

Es geht bergab

Normalerweise laufen wir so zwischen 12 – 15 km am Tag auf unserer Reise. Dabei gehen wir meist ganz entspannt, gönnen uns immer wieder ein paar Pausen, lassen Bauwerke, Ausblicke und die Umgebung auf uns wirken.
Längere Strecken sind meist geplant, sowie auch der Abstieg vom Kehlsteinhaus am Obersalzberg in Bad Reichenhall.
Hier lassen wir uns mit dem Bus vom Besucherparkplatz nach oben fahren und wollen dann runter laufen.
Man kommt nur zu Fuß oder mit dem Spezialbus zum Kehlsteinhaus. Ich denke: „Da will wohl jemand Geld verdienen.“ Das denke ich, bis der Bus losfährt und mein Angsthase schreit: “ Lass mich aussteigen, ich kann auch laufen.“ Die Straße hat über 20% Steigung, neben uns fällt der Berg ab in ein Nebelmeer. Bei jeder Kurve kralle ich mich am Sitz fest. Es ist also wirklich eine spektakuläre Fahrt dort hinauf, mit bestimmt unglaublichen Ausblicken, wenn kein Nebel ist oder man nicht vor Angst die Augen zu kneift.

Ich bin froh, als wir aussteigen und den Rest mit dem Aufzug ins Kehlsteinhaus fahren.
Von hier beginnt der Abstieg. Ab jetzt geht es 2 1/2 Stunden auf einem sehr gut ausgebauten Weg immer bergab. Wir laufen im dichten Nebel vom Gipfel los und sind erstmal traurig, da wir kaum 5 Meter weit sehen können. Doch die Traurigkeit legt sich schnell, denn wir stehen mitten in den Wolken und das Wasser zaubert grazile Tröpfchen an die Pflanzen um uns herum. Außerdem reißt der Himmel immer wieder auf und dann sind die Ausblicke umso schöner. Erst alles grau und eine Sekunde später kann man ganz Bayern sehen, dass hat schon was. Unser Herz-Kreislaufsystem hat gut lachen beim Abwärtsgehen und so reden wir fast die ganze Zeit miteinander. Wir müssen ja nicht nach Luft japsen. Doch nach fast 2 Stunden runterlaufen melden sich langsam die Knie und Waden. Am Parkplatz sind sie weich wie Butter und zittern vor sich hin. Am nächsten Tag gibt es nur eine kleine Wanderung durch das Berchtesgadener Naturschutzgebiet mit ganz wenigen Höhenmetern, aber Panoramaaussichten auf die Alpen.

Wohin unsere Füße uns tragen

So erlaufen wir uns Naturwunder, wie den Urwald von Hessen in der Nähe der Sababurg oder den Weg vom Königssee zum Röthenbachfall oder die Externsteine im Teutoburger Wald oder ein kleines Stück Pfälzer Wald. Aber auch Parks, wie den Wörlitzer Park bei Dessau, die Wilhelmshöhe in Kassel, den Park in Bad Oeynhausen, den Tierpark Sababurg oder den Stadtpark von Trier. Wir schlendern viele Kilometer durch Städte und Dörfer, wie Erfurt, Bamberg, Heidelberg, Trier, Dinkelsbühl, um die Schönsten zu nennen. Auch schauen wir uns Baudenkmäler an, das oben erwähnte Kaiser-Wilhelm-Denkmal an der Porta Westfalica, die Befreiungshalle in Kelheim und gleich daneben das Kloster in Weltenburg, das Hermannsdenkmal, die Eidersee-Talsperre, Neuschwanstein, die Burg Eltz, die Geierlay-Hängebrücke, über die Henrik komplett drüber geht und ich vor Höhenangst mit den Zähnen klappere und und … Sogar ein Museum ist dabei- das Technikmuseum in Sinsheim. Selbst ich war davon schwer beeindruckt und meine Füße am Abend richtig fertig.

Jeder Tag bestätigt uns in der Überzeugung, dass sich nichts besser eignet eine Gegend kennen zu lernen, als einfach loszulaufen. Nach über 400 gelaufenen Kilometern meinen unsere Füße „Jetzt ist aber auch mal wieder gut.“ und freuen sich auf unser normales Zuhause-Pensum von 5 km am Tag.

Vielen Dank meine lieben Füße, dass ihr mich so fleißig durchs Leben tragt, auch wenn ich es Euch nicht immer leicht mache und Euch sehr wenig beachte.

Danke Füße!

 

 

 

 

 

 

 

Ein Kommentar

  • Reinhard

    Also,
    „Gehe nicht zu Deinem Fürst, wenn Du nicht gerufen wirst“ (Deutsches Sprichwort)
    weil,
    „Wenn es den Kaiser juckt, so müssen sich die Völker kratzen“
    Heinrich Heine

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