Schottlandgeschichten – Teil 3
#44 Schottlandgeschichten – Teil 3
Reise zur Isle of Skye
Lied zum Text: „Goldfinger“ Shirley Bassey
Es trommelt auf unser Wohnmobildach, der Wind rüttelt am Wagen, der Regen peitscht an die Fenster – draußen ist Weltuntergang.
Drinnen ist es kuschlig, das Abendbrot steht auf dem Tisch und ich lese aus dem Reiseführer vor, was wir auf Grund des Wetters nicht sehen können, wie schön die Isle of Skye ist.
Und sie ist schön, selbst bei diesem Wetter. Allein die Fahrt hierher ist ein Traum, dafür nehmen wir auch dieses unwirkliche Regenwetter gerne in Kauf.
Die Szenerie erinnert mich an die Geschichten von Edgar Allan Poe, allen voran an den Untergang des Hauses Usher. Wenn der Regen so weiter macht, gibt es hier den Untergang des Wohnmobils der Dangelats. Wir stehen zwischen den Bergen an einer Meeresbucht, neben uns rauscht ein Wasserfall den Berg hinunter. Am nächsten Tag ohne Regen entpuppt er sich als winzig kleines Flüsschen, doch im Moment ist er spektakulär. Am späten Abend lässt der Regen nach und wir schauen nochmal nach, wo wir hier eigentlich stehen. Überall Steine auf dem Boden, Berge neben uns, ein breiter Fluss, der sich hier ins Meer ergießt zu unserer rechten Seite, links der Wasserfall, alles von Nebel und Nieselregen eingehüllt. Auf einem Baum sitzt ein Rabe, schon wieder Edgar Allan Poe mit dem Raben „Nimmermehr“. Richtig schön schaurig ist es.
Die letzte Tagen waren angefüllt mit neuen Erlebnissen. Den Anfang machte bereits das Abholen des Wohnmobils. Wir bekommen ein ganz neues, über 7 Meter langes Urlaubsmonster zugewiesen. Das hat neben der uns bekannten Ausstattung noch einen Backofen, ein großes Gefrierfach und eine ziemlich große Dusche. Im Abholmoment ist die Ausstattung aber erstmal Nebensache. Wir müssen uns erstmal daran gewöhnen, auf der „falschen“ Seite zu sitzen und zu fahren. Henrik bekommt das sofort richtig gut hin, selbst als wir 5 km weiter auf den sehr beengten Lidl-Parkplatz fahren, um das Urlaubsmonster mit allem Nötigen voll zu packen.
Als wir uns ein paar Stunden später zu unserer ersten Nacht im Womo an den Loch Lomond stellen, ist die erste Aufregung schon vorüber. Wir haben uns ans neue Fahrgefühl und die engen, hoplrigen, schottischen Straßen gewöhnt.
Am Loch Lomond stehen wir direkt am See, mit Blick auf die Hügel der anderen Uferseite. Der Loch liegt wie ein See aus Blei vor uns, die Wolken spiegeln sich darin. Eigentlich richtig idyllisch, jedoch kommt bei uns keine idyllische Stimmung hoch. Sind wir reisesatt? Haben wir schon zu viel spektakuläre Natur gesehen? Es ergreift uns nicht und wir denken beide : „Na hoffentlich wird es noch besser. Alle schwärmen so von der schottischen Natur und wir beide finden es nur so naja.“
Der nächste Tag beginnt mit einem wolkenverhangenen Himmel.
In Schottland fängt gerade erst der Frühling an, dass heißt die Bäume sind noch kahl, die Wiesen noch braun. Die Farbe grün ist im Moment Mangelware. Alles wirkt etwas trüb und kahl.
Dafür gibt es überall gelbe Farbtupfer. Wilde Primeln, Narzissen und der Ginster wetteifern mit ihren unterschiedlichen Gelbtönen um unsere Gunst. Wir fahren an diesem Tag immer an der Küste entlang von Inveraray Castle bis Oban und, je weiter wir fahren, umso mehr hebt sich unsere Stimmung und auch der Himmel wird immer blauer.
Spätestens, als wir uns unser erstes Castle erobern (Carnasserie Castle), hat uns Schottland in seinen Bann geschlagen.
Am Abend finden wir dann auch zu den „Ach Du meine Güte, wie schön ist das denn hier“ -Momenten zurück. Gleich an unserem Campingplatz beginnt ein Wald, der verzaubert sein muss, so unglaublich schön ist der. Unser Abendspaziergang wird ein einziges „Schau mal hier.“ „Oh ist das schön.“ „Hast Du das schon gesehen.“ Selig schlafen wir an diesem Abend ein, wir haben ihn wieder gefunden – unseren Reise-Anfängergeist.
In dieser Stimmung starten wir auf den vielleicht schönsten Abschnitt unserer Reise.
Es geht erst Richtung Fort William und am höchsten Berg der Highlands – dem Ben Nevis – vorbei und dann Richtung Mallaig.
Mallaig ist eine Küstenstadt und von hier kann man mit der Fähre auf die Isle of Skye übersetzen. Wir wollen das ohne Vorreservierung auf gut Glück versuchen.
Neben der Straße laufen die Schienen einen historischen Bahn entlang. Es ist die Harry Potter Bahn, die hier von Fort William nach Mallaig führt und dabei über das Glenfinnan Viadukt fährt, bekannt aus den Harry Potter Filmen.
In Glennfinnan lassen auch wir das Womo stehen und machen uns zu Fuß durch die Highlands auf den Weg, um den besten Ausblick auf das Viadukt zu bekommen. Die Strecke ist gut ausgebaut und es ist eher ein Spaziergang als eine Wanderung. Vom Weg hat man einen großartigen Ausblick auf die umliegende Natur, die irgendwann den Blick auf das Viadukt freigibt. Und das ist wirklich ein Filmkulissenblick.
Auf unserem Rückweg zum Womo machen wir eine Teepause am Bahnhof in Glennfinnan. Hier wurde ein alter Speisewagen zu einem Café umgebaut. Wir sind ganz allein mit unserem Tee und einem Flapjack (so was wie ein Müsliriegel) in einer richtigen Eisenbahnromantik, als in den Bahnhof gleich neben uns die historische Bahn einfährt. Da ist es wieder, unser Reiseglück.
Kurz denken wir in Mallaig, es hätte uns verlassen, als wir für den Abend und auch den nächsten Tag keine Fährüberfahrt auf die Isle of Skye bekommen. Aber nee, denn dadurch finden wir kurz hinter Mallaig einen Zeltplatz an einer Karibikbucht so unglaublich schön, dass wir denken, wir träumen. Man weiß eben nie, wozu etwas gut ist.
Wir fahren also alles wieder zurück, um über die Brücke auf die Isle of Skye zu kommen. Dabei geht es durch eine skurrile Natur mitten durch die Highlands. Bei uns kommen Erinnerungen an den James Bond Film Skyfall hoch, genau hier könnte Skyfall stehen (tut es aber nicht, wir haben uns belesen. Das Haus gibt es nicht, die Landschaft schon, auch in Schottland in Glencoe ). Bevor wir auf die Isle of Skye fahren, machen wir Halt am vielleicht bekanntesten Schloss, dem Eilean Donan Castle. Es wurde als Filmkulisse für unzählige Filme genutzt (ja auch James Bond war dabei). Für uns sieht es viel kleiner aus, als es im Kino wirkt. Wir laufen noch in den kleinen Ort, der sich daran anschließt und sich am Loch Long entlang zieht.
Kaum sind wir wieder unterwegs, fängt es an zu regnen. Noch nicht schlimm, einfach nur Regen.
Die Brücke, die auf die Isle of Skye führt, ist nix für Menschen, wie mich, mit Höhenangst. Steil erhebt sie sich über den Loch Ash. Ich klammere mich an den Sitz und bin froh, als wir auf der Insel sind.
Hier nimmt der Regen immer mehr zu. Wir können fast nichts mehr sehen und halten an einem Stellplatz bei Sligachan, wo das Unwetter dann richtig wütet.
Der nächste Tag beginnt noch neblig, doch die Sonne lässt sich schon erahnen. Wir machen uns auf, die Isle zu erobern und beginnen mit Portree. Die Stadt (eher Dorf) liegt wunderschön an der Küste. In einer halben Stunde ist man einmal durchgelaufen und hat alles Sehenswerte gesehen.
Unsere Fahrt führt uns einmal rundherum um die Insel. Wir steigen am Old Man Of Storr aus und sind nach einer Stunde steilen Anstieg völlig erschöpft. Aus der Ferne sehen wir eine riesige graue Wolkenwand auf uns zuziehen und brechen, zu unserem Glück, die Wanderung ab. Als wir später aus dem Auto nach oben zum Old Man blicken, liegt dieser in einer Unwetterfront und wir sind froh, nicht da drin zu sein.
Unser nächster Haltepunkt ist am Kilt Rock Waterfall. Hier ergießt sich ein Loch über meterhohe Klippen ins Meer. Als wir aussteigen, scheint die Sonne und wir können weit übers Meer und die Klippen entlang sehen. Ab hier gibt es nur noch einen Singletrack ( eine einspurige Straße mit Ausweichbuchten, falls einem jemand entgegenkommt), Henrik fährt unseres Riesen souverän diese enge Straße entlang. Uns kommen Autos, Trecker und Lastwagen entgegen. Ganz in Ruhe fährt Henrik das Womo an den Rand, klappt seinen Spiegel ein und wartet. Dadurch geht es wirklich langsam vorwärts, aber wir haben es nicht eilig und können so die einmalige Landschaft und die Ausblicke genießen.
Irgendwann sind wir wieder in Portree und essen im Besucherzentrum Scones. Das Wetter wird wieder schlechter und wir entschließen uns, noch an diesem Abend die Insel wieder zu verlassen.
Wir wollen an die Nordseeküste, hier soll das Wetter etwas beständiger und schöner sein.
In unser nächsten Geschichte sehen wir Tümmler, unzählige Schafe und Lämmer, Kühe, Fasane, Hasen und Rehe (einen ganzen Zoo), Bohrtürme, Schlösser und Burgen, wunderschöne Fischerdörfer und trinken Whisky.