Lissabon – Stadt der Ausblicke
#58 Lissabon – Stadt der schönen Ausblicke
Lied zum Text: Mark Ronson ft. Miley Cyrus „Nothing Breaks Like a Heart“
(Wieder eines der Lieder, das die ganze Zeit in den Radios, Bars, Cafès rauf und runtergespielt wurde und uns so den ganzen Urlaub begleitet hat.)
Irgendetwas hat mich aufgeweckt. Ich schaue auf die Uhr, es ist 4:12 Uhr. Unser Zimmer liegt im Dunkeln. Warum bin ich nur aufgewacht? Ich horche in die Schwärze und dann fällt es mir auf. Es ist ganz ruhig, Stille liegt über der Stadt. Kein Auto fährt, keine Straßenbahn rumpelt durch unser Schlafzimmer, keine Musik dröhnt aus der Kneipe nebenan, kein lautes Lachen von den Menschen vor unserer Tür. Für eine knappe Stunde ist es ruhig, in dieser sonst so lauten Stadt. In ein paar Minuten wird das Leben erwachen und wir uns in wenigen Stunden wieder ins Getümmel stürzen. Wir sind in einer quirligen, lauten Stadt. Wir sind in Lissabon.
Nachdem endlich die Müllabfuhr laut klappernd um 5 Uhr vor unserer Haustür hält und das Baby von nebenan anfängt zu schreien, kann ich auch wieder schlafen. Wie soll das nur in Berlin werden, wo es absolut ruhig in unserem Schlafzimmer ist? Darüber kann ich mir in ein paar Tagen wieder Gedanken machen, jetzt treibt es uns erstmal raus auf die Lissaboner Straßen.
Die Sonne lacht, der Himmel ist blau, angenehme 17°C hat die Luft um uns herum. Wir saugen diesen Frühlingstag (Anfang Februar) tief in uns ein. In Berlin ist es gerade grau, kalt und ungemütlich. Gut, das wir hier sind.
Lissabon ist anders
Lissabon ist anders, als von mir erwartet. Auf jeden Fall lauter. Das fängt schon auf der U-Bahnfahrt vom Flughafen ins Zentrum an. Die U-Bahn ist so laut, da ist ein Unterhalten fast unmöglich.
Lissabon ist eng, gerade in unserem Wohngebiet im ursprünglichen Graca, gibt es sehr, sehr enge Straßen. Auch die Haustüren haben nur eine Breite von max. 50 cm. Einen dicken Koffer (oder Körper) da durchzuzwängen ist eine Herausforderung.
Lissabon ist ursprünglich, hier gibt es noch kleine, vollgestellte Tante-Emma-Läden, alte Damen, die auf Bänken in der Sonne quatschen. Der Ginjinha (Sauerkirschlikör) wird abends aus der heimischen Küche ausgeschenkt und auf der Straße wird noch gegrillt.
Lissabon ist voller Touristen, Anfang Februar hatte ich nicht damit gerechnet. Die alte Straßenbahn ist ab 10 Uhr immer voll, an den großen Attraktionen der Stadt muss man anstehen und bei schönen Ausblicken muss man sich durch die obligatorischen Tablets der Asiaten kämpfen.
Ausblicke
Schöne Ausblicke gibt es in Lissabon viele. Die Stadt ist auf sieben Hügeln gebaut, was ein ständiges Auf und Ab zur Folge hat. Man schaut vom Miradouro da Graca rüber zum Castelo de Sa Jorge und denkt: „Lass uns mal schnell rüberlaufen, sind ja höchstens 300 Meter.“ Nach 100 Treppenstufen runter und einem stetigem Zickzack durch enge Gassen wieder rauf, an deren Ende man erstmal eine Bank braucht, um das Herz-Kreislaufsystem zu beruhigen, denkt man: „Puh, das waren jetzt aber mal anstrengende 300 Meter.“
Zum Glück gibt es überall Gelegenheiten zum Ausruhen: Bänke, Treppenstufen, kleine Cafès, Kirchentreppen, Restaurants und wenn es gar nichts mehr geht, setzt man sich in die Straßenbahn 28E und lässt sich die Hügel hochfahren.
Essen in Lissabon
In den Cafés kommt man um die kleinen, hübschen Pastel de Natas nicht herum. Diese süßen Puddingtörtchen sind wirklich eine Sünde wert und egal wo wir waren, sie sind überall sooo lecker.
Da sitzt man dann im Trubel der Stadt oder in einer ruhigen Seitengasse in der Sonne und beobachtet die anderen Touristen. Aus der Kaffeetasse steigt der Dampf, man beißt in diese Zuckersünde und das Leben ist fabelhaft.
Nach zuviel Zucker brauche ich immer etwas Herzhaftes (nach einem Stück Kuchen ’ne Salamistulle – genau mein Geschmack). Für diesen Fall gibt es in Lissabon Fischfrikadellen (Pataniscas) aus Kabeljau (Bacalhau). Wir haben diese im Mercado da Ribeira gegessen. Eine alte, restaurierte Markthalle, die heute ein großer Essenstempel ist. In einer Halle findet jeden Tag bis 14 Uhr noch ein richtiger Markt statt, mit Obst, Gemüse, Fisch u.s.w.. In der Haupthalle geht es dann aber nur noch ums Essen selber. Hier steht ein Fressstand neben dem anderen und man kann sich hier gut durch die portugiesische Küche probieren. Aber Achtung: Es ist laut.
Wer es etwas leiser braucht, nimmt sich was mit, setzt sich gegenüber ans Tejo-Ufer, schaut den Fähren beim Ablegen zu und vielleicht singt auch noch jemand ein Lied.
Ein wenig Musik
Musik wird in Lissabon viel gespielt und selten habe ich so gute Straßenmusik gehört, egal, ob es der Gitarist auf der Miradouro des Santa Luzia oder die afrikanische Band auf dem Largo das Portas do Sol war. Und dann gibt es den melancholischen Fado, der Abends durch Alfama schallt. Um ihn zu hören muss man nicht extra in eine Fado-Bar gehen, oft wird er bereits auf der Straße gesungen, von unscheinbaren Menschen mit unglaublichen Stimmen.
Musik begleitet uns auch zum Castelo de Sa Jorge. Ein junger Mann spielt an einem Hausdurchgang, der wie eine Box funktioniert und dadurch seine Lieder im ganzen Viertel zuhören sind.
Für die alte maurische Burg sollte man etwas Zeit einplanen, denn immer wieder schweift von hier der Blick über die Stadt und die Augen saugen sich einfach fest an den vielen tollen Ausblicken. In der Burg selber gibt es außer den alten Gemäuern nicht so viel zu sehen, dafür sorgen aber die Pfauen für allerhand Spaß. Sie sitzen in den Bäumen, stolzieren durch die Grünanlagen oder versperren (so wie bei uns) den Weg in die Cafeteria.
Man kann von hier wirklich weit in die Stadt schauen,
die durch ihre Gegensätze so sympatisch ist.
Harmonische Gegensätze
Alt und Neu liegt in Lissabon eng beieinander.
Überall gibt es Streetart. Wirklich gut gemachte Graffitis und Murals zieren die teilweise heruntergekommenen Häuserwände und fügen sich problemlos ins alte Stadtbild ein.
Die alte, klapprige Straßenbahn besitzt ein ausgezeichnetes WiFi.
Auf den oft dörflich angehauchten Plätzen sitzen Omas in schwarzen Kleidern mit einem Kaffee von Starbucks in der Hand und neben ihnen üben Jugendliche Skateboard fahren.
In der LX Factory ist dieser Lebensstil ein bisschen zu hip. Auf diesem ehemaligen Fabrikgelände fühlen wir uns schon fast wie in Berlin. Alternativ ist hier chic.
Aber hier gibt es den besten Käsekuchen der Stadt. Und wenn man in den Bücherladen nebenan geht, die Treppen an den Bücherregalen hochsteigt, zur alten Druckmaschine weiter geht und sich von einem sehr netten älteren Herrn seine skurrilen Kunstwerke erklären lässt, dann ist es egal wo man ist, man betritt eine ganz andere Welt.
Wir haben uns Lissabon zum größten Teil erlaufen. Jeden Tag zwischen 10 und 14 km, die uns durch das ständige Auf und Ab nicht immer leicht gefallen sind. Für uns ist das die beste Art, eine Stadt zu erkunden und in sie einzutauchen. Man kann aber auch gut die öffentlichen Verkehrsmittel nutzen. Es gibt eine Metro, die Straßenbahnen, Busse, Fähren, Züge und ein Taxi ist auch nicht teuer.
Lissabon wird für mich in der Erinnerung eine laute Stadt, eine Stadt der Musik, der leckeren kleinen Köstlichkeiten und die Stadt der Ausblicke sein.
Unsere Tipps für Lissabon
- Schuhwerk: Packt nur bequeme Schuhe ein, mit denen ihr gut über Holperpflaster, Treppen auf und ab und steile Schrägen laufen könnt. Ich bewundere ja jede Frau, die mit Pfennigabsätzen auf diesen Straßen laufen kann, aber wir haben einige „Hängenbleiber“ und „Absatzzerstörer“ gesehen.
- öffentliche Verkehrsmittel nutzen: In Lissabon mit dem Auto fahren?Auf keinen Fall. Gerade die Altstadt lebt im ständigen Verkehrskollaps und Parkplätze sind Mangelware. Nutzt deshalb lieber die öffentlichen Verkehrsmittel. Holt Euch eine wiederaufladbare
Viva Viagem Card. Diese gibt es für 50 Cent am Automaten in den U-Bahnhöfen und kann mit unterschiedlichen Beträgen beladen werden. Dann kostet eine Fahrt (egal ob Metro, Straßenbahn, Aufzug, Standseilbahn) nur 1,35 € (Stand Feb.2019). - Essen und Trinken: Nascht Euch durch die Gegend und probiert auf jeden Fall Pastell de Natas (und es müssen nicht unbedingt die berühmten Pastei de Belem sein, auch die anderen schmecken gut), auch eine Fischfrikadelle sollte mal probiert werden, dann noch einen guten Schluck Portwein. Abends beim Bummel durch die Gassen muss man einen Ginjinha im Schokobecher trinken. Ansonsten kann man in Lissabon überall gut essen, wir haben wirklich nur leckere Gerichte vorgesetzt bekommen.
- Sehenswürdigkeiten: Die sind doch voller als von uns gedacht. Am Mosteiro dos Jeronimos muss man sich die Eintrittskarten im daneben gelegenen Museu Nacional holen. In die Kirche Igreja de Santa Maria Belem kommt man aber umsonst rein und kann hier das Grab Vasco da Gamas bestaunen. Wer gerne in Museen geht, für den lohnt sich die Lisboa Card. Da ist der Nahverkehr mit enthalten und der Eintritt zu vielen Sehenswürdigkeiten gratis oder es gibt Rabatte darauf. Außerdem spart man sich zum Teil das Schlange stehen.
- Weitere Empfehlungen: Schaut auch auf andere Reiseblogs. Wir haben uns vorher bei 22places und Travel on Toast informiert. Und mich sieht man in einer neuen Stadt auch selten ohne Reiseführer in der Hand, diesmal war es der Polyglott on tour „Lissabon“.
- Und ansonsten empfehlen wir (wie immer): treiben lassen, beobachten, genießen, lachen, leben, lieben.
5 Kommentare
Christoph
Danke für die Inspirationen zu Lissabon.
Habe mir letzte Woche vom ADAC den Reiseführer geholt und bin schon sehr gespannt auf Lissabon – wir sind mit den Kindern in den Sommerferien da und freuen uns schon riesig
Sylke
Hallo Christoph,
ohhh da könnt Ihr Euch auch riesig freuen. Auch das nähere Umland von Lissabon muss sehr schön sein und man kommt wohl gut mit dem Zug hin. Die Züge haben uns schon aus der Ferne Lust auf Sommer gemacht, denn an den Türen sind Schilder für Fahrrad- und Surfbrettabteile. Da kann man also mit dem Surfbrett in der Hand von Lissabon bis zum 20km entfernten Strand fahren. Wie cool ist das denn?
Ganz liebe Grüße an Dich.
Konny
Ich kann Christoph nur zustimmen: Das ist wirklich eine Inspiration. Toll geschrieben und wirklich (wie immer) schöne Fotos. Lissabon ist dadurch ganz nach oben auf meine Liste gerutscht. Dankeschön. Liebe Grüße, Konny
Sylke
Liebe Grüße zurück ans andere Ende der Welt und Danke, dass Du die Hühnerbeine probiert hast, dass kann ich jetzt von unserer Liste streichen ;o).
Konny
Lach….ja, das ist wirklich eine Streichposition