Grübeln über ...

Grübeln über – unsere Eltern

Ich habe lange überlegt, ob ich diesen Artikel schreibe. Anders als bei unseren Kindern geht es hier mehr um die Vergangenheit als um die Zukunft.
Das Jetzt ist ungemein wichtig und die Zukunft wird spürbar endlich. Wegen dieser Endlichkeit fällt es mir wesentlich schwerer, darüber zu schreiben – doch im Moment gibt in unserem/meinem Kopf oft nur dieses Grübelthema.

Henrik sagt:“ Ich rufe mal Mama an, hoffentlich gibt es gute Neuigkeiten von Papa.“
und schon kreisen meine Gedanken wieder.
Sie kreisen um das Thema Krankheit, ja auch den Tod, den Umgang damit und ein komplett überfordertes Gesundheitssystem. Sie kreisen um unsere veränderte Eltern-Kind-Beziehung, um Verantwortlichkeiten, die sich geändert haben, um Gefühle, die sich schwer ertragen lassen, unausgesprochene Worte und Dinge, die nie mehr sein werden wie früher. Aber sie kreisen auch um unsere eigene Endlichkeit und was wir vom Leben wollen.
Es ist schwer im Moment, in meinem Kopf zu sein.

Ich weiß, dass es vielen in unserem Alter ähnlich geht. Unsere Eltern, die Götter und Könige unserer Kindheit, gehen uns wie immer voraus. Sie zeigen uns, wo der Weg hinführt und das es so ungemein wichtig ist, sein Leben zu genießen, jede Freude, jedes Glück sofort zu packen, denn zweite Chancen gibt es nicht oft.

Es ist schwer damit umzugehen, dass sie uns auf einmal mehr brauchen, als wir sie. Sie waren immer die Stärkeren, die Weisen, die Aufpasser, die Vernünftigen, die Wegbereiter, der sichere Hafen. Sie haben das mit einer Selbstverständlichkeit getan, wie wir es heute bei unseren Kindern tun. Doch auf einmal wandelt sich das Blatt, wir müssen jetzt einige dieser Aufgaben übernehmen. Zu erleben, dass unsere Eltern auch nur Menschen sind (keine Götter oder Könige), erschüttert oft mein Weltbild.
Ich soll jetzt vernünftig sein? Soll aufpassen, dass sich meine Eltern nicht die Knie blutig schlagen? Dabei habe ich das Gefühl, selber noch einen Aufpasser zu brauchen.

Aber es gibt nicht nur traurige, schwere Gedanken. Oft denke ich an das große Geschenk, dass sie uns gemacht haben – in Liebe und mit viel Lachen aufzuwachsen. Wir sind heute selbstbestimmte, zufriedene Erwachsene, weil sie uns dabei geholfen haben. Sie haben uns ein riesiges Urvertrauen geschenkt und uns immer darin bestärkt und unterstützt, unseren Weg zu gehen.
In meinem Kopf purzeln die lustigen Geschichten meiner/unserer Kindheit oft durcheinander und dann lächle ich vor mich hin. Dann denke ich an starke Arme, die mich halten, an ein „Das schaffst Du schon.“, an warme Hände, die sich um meine Eisfinger legen, an schnelle Küßchen und ganz viele „Wir haben Dich lieb und sind stolz auf Dich.“

Wir hoffen und erwarten, dass sie noch lange bei uns bleiben. Das sie uns mitnehmen auf ihrem weiteren Weg, auch wenn wir auf einmal die Aufpasser und die Vernünftigen sind. Aber auch, dass sie uns verzeihen, wenn wir manchmal nicht das sein können, was sie im Moment brauchen , denn auch für uns ist dieser holprige Weg komplett neu und die Konfrontation mit der Endlichkeit unglaublich schwer.

Opas Rosen im Sonnenschein

 

Wie ist es bei Euch? Fällt Euch der Rollenwechsel auch schwer? Wie erlebt ihr das Thema, Krankheit, Sterben und Tod? Könnt ihr darüber reden oder schiebt ihr es weit weg?

2 Kommentare

  • Reinhard

    Und dazu gleich zwei Zitate:
    „Nicht den Tod sollte man fürchten,
    sondern dass man nie beginnen wird,
    zu leben“ (Marcus Aurelius)
    und
    „Sterben kann gar nicht so schwer sein,
    bisher hat es noch jeder geschaft“ (Norman Mailer)
    Und wo ist nun das Problem?

  • Christel

    Hallo Sylke,
    Ich hatte Dir ja mal geschrieben ,dass meine Mutter an Krebs erkrankt ist,damit hat sich alles geändert.Aber auch Freunde,die bereits den Verlust einer oder beider Elternteile zu beklagen haben und davon erzählen.Zuerst war ich von der Nachricht über die Krankheit meiner Mutter total überrumpelt,“ das haben nur andere“ davon war auch ich überzeugt.Ich habe das Thema Sterben angenommen,habe keine Angst mehr davor, es gehört zum Leben einfach dazu.Ich genießt ihre Stimme,solange ich noch kann und mache mich nicht mehr verrückt,nicht mehr

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