Verona – romantisch unromantisch
#11 Verona – romantisch unromantisch
Lied zum Text: The Cardigans „Lovefool“
Es geht nach Verona, vorbei an ganz viel Polizei. Was ist hier los?
In diesen unruhigen Zeiten denkt man immer gleich an etwas Schlimmes – mannomann.
Doch als in einem Kreisverkehr Zuschauer sitzen, hopst der Angsthase gleich wieder in seinen Stall zurück. Wir raten rum und denken, dass hier demnächst ein Radrennen vorbei kommt. Die Wahrheit ist eine andere und wird sich uns in Verona am Ende unseres Stadtrundgangs offenbaren.
Verona wird unsere Stadt des „Verfahrens“. Das Navi gibt sich alle Mühe, uns durch die etwas chaotische Straßenführung zu bringen, doch wir verfahren uns. Ist aber gar nicht schlimm, nur ein paar Kilometer länger und schon sind wir hinter den dicken Stadtmauern.
Als erstes wollen wir an Julias Grab. Ich stelle mir das megaromantisch und megavoll vor. Henrik freut sich auch schon ganz toll –also nicht. Durch ein paar kleine Gassen kommen wir an eine große hässliche Straße mit noch hässlicheren 70-er Jahre Bauten. Hier noch einmal nach links und Voila. Zwischen den Architektursünden ein kleiner Park, irgendwie gewollt romantisch, aber eigentlich dreckig, ungepflegt und nicht schön. Dafür ist es leer. Hier ist also das Kloster, in dem Romeo und Julia getraut wurden und in dem ein- natürlich leerer – Sarg für Julia steht. Um sich das Kloster und den leeren Sarg anzusehen, soll man Eintritt zahlen. Da das Ambiente drum herum schon mal nicht einladend ist, bin ich etwas unsicher. Henrik sagt: „Du kannst ja reingehen. Ich warte hier draußen.“ Ein Zitat von Heinrich Heine noch im Eingangsbereich des Museums beschreibt das Erlebnis drinnen so, dass ich auch gerne darauf verzichte. Na, das war ja schon mal nix mit der Romantik. Wir laufen an der Etsch entlang Richtung Innenstadt. Die Stadtmauer ist beeindruckend und die kleinen verwinkelten Gassen wirklich sehr italienisch und schön. Viele alte Häuser zeugen vom Reichtum dieser Stadt. Fenster haben auffällige Verzierungen, überall kunstvolle Balkone und zum Teil kunstvoll bemalte Häuserwände. Die Patina der Zeit hat sich drüber gelegt und macht das Ganze noch schöner.
Ich möchte in eine der vielen Kirchen gehen, doch die Tür ist zu. Dafür die Tür gleich daneben offen. Sieht irgendwie bürokratisch hier aus und einen Eingang zur Kirche finden wir auch nicht. Dafür hören wir ganze viele Kindern in der Ferne. Wir sind in einer Schule gelandet und schleichen uns leise raus. Die Kirche, in die ich eigentlich möchte, liegt ein paar Straßen weiter. Wir kommen nur in den Eingang und sollen dann Eintritt zahlen. Wollen wir aber nicht. Das hölzerne Deckengewölbe ist aber bestimmt den Eintritt wert. Doch wir haben in der letzten Zeit genug Kirchen bestaunt, so dass wir weiterziehen Richtung Julias Balkon.
Vorbei an einer altrömischen und sehr gut in das Straßengeschehen integrierten Ausgrabung, lassen wir uns vom Touristenstrom in Richtung des kleinen Hofes ziehen. Nichts erinnert hier an den Film „Briefe für Julia“. Kein Baum und keine Bank im Innenhof. Dafür viele, viele Menschen. Man darf keine Briefe in die Ritzen der Steinmauer stecken und kommt auch gar nicht ran. Aber ich hab doch auch einen Brief geschrieben, wo jetzt hin damit? Es findet sich ein Plätzchen. Über uns schwebt Julias Balkon und viele kleine Mädchen erscheinen abwechselnd darauf. 6 Euro kostet der Spaß. Da ich vor fast 25 Jahren meine große Liebe getroffen habe und wir seitdem gemeinsam unsere Liebesgeschichte schreiben, brauche ich Julias Zuspruch nicht.
Julia steht fast unter ihrem Balkon und ihre kleinen Bronzebrüste sind ganz glänzend abgegriffen, auf der Suche nach Liebe und Glück. Wir schaffen, uns mit Blick auf ihrem Balkon zu küssen, und schauen uns dann die beschrifteten Wände an. Sie zeugen von Liebesglück und der Suche danach.
Kaum raus aus dem Hof ist Verona wirklich schön. Der Marktplatz lädt zum Rumbummeln ein, genauso wie die vielen kleinen Gässchen. Hier ist es romantisch. Wir tauchen in die Stadt ein und kommen irgendwann an der Arena raus. Da steht sie vor einem, strahlt in rosa Marmor erhaben vor sich hin. Das macht sie nun seit über 2000 Jahren und hat dabei wahrscheinlich Abermillionen von Menschen gesehen. Genau davor: der Grund für die viele Polizei. Die 500 Miglia ist gerade in Verona angekommen und die Fahrer essen gerade Mittag. Überall wunderschöne alte Autos. Wir sind zur rechten Zeit am rechten Fleck.
Nach 2 ½ Stunden haben wir genug von den vielen Menschen und fahren etwas außerhalb in einem leeren Einkaufzentrum Kaffee trinken.
Unser Fazit: Verona ist da romantisch, wo man es nicht erwartet. Und wie in der Liebe können zu hohe Erwartungen manches kaputt machen.
3 Kommentare
Karin & Reinhard
Es macht richtig Spass Deine Texte zu lesen!
Der Bezug zur Vergangenheit bei der realistischen Einordnung des Sein in die Gegenwart, ist beeindruckend.
Manu
Kann ich mich wirklich nur anschließend, liest sich wunderbar.
Ramona
Liest sich wirklich gut….da muss ich nun auch nicht mehr hin…deine bildliche Beschreibung ist völlig ausreichend. ❤️ Grüße.