Außerhalb der Zeit – Kirchen auf unserem Weg
#26 Außerhalb der Zeit – Kirchen auf unserem Weg
Lied zum Text: Bosse „Außerhalb der Zeit“
Wir befinden uns auf dieser Reise, wie von Bosse gesungen, außerhalb der Zeit.
Tage, Straßen, Orte und Landschaften ziehen an uns vorüber und häkeln sich in unseren Köpfen zu einem bunten Teppich zusammen. Wir fragen uns mittlerweile öfters: „Wo war dies? Wann war das?“ Die Kirchen auf unserem Weg bilden dann die Fixpunkte, an denen wir uns langhangeln.
Nach den ersten 3 Wochen Urlaubsfeeling und „Alles Neu“, sind wir irgendwann im zeitlosen Raum angekommen. Man bekommt es gar nicht bewusst mit, doch wenn man in sich geht, merkt man, wie sehr man zur Ruhe gekommen ist. Du musst nichts und kannst auf einmal so viel tun. Mit jedem Tag lernt man, dieses Gefühl mehr zu genießen.
Doch ich bin scheinbar ein zielorientierter Mensch und so brauche ich sie auch auf diesem Weg, die kleinen Ziele. „Wo fahren wir heute hin? Wo wollen wir übernachten? Gibt es da etwas Interessantes?“, sind die Fragen, die wir uns fast täglich stellen. (Und ganz wichtig: „ Was wollen wir heute essen?“) Oft zieht es uns dann zu den Geschichtenbewahrern einer Region – den Kirchen.
Sie erzählen über ihre Orte, ihre Menschen, ihre Feste, ihre Kultur. So erfahren und erleben wir einiges von dem Leben, das sich in den Gegenden abspielt, die wir auf unserem Weg streifen. Wir sind beide nicht gläubig und betrachten diese Gebäude als Informationsquellen. Wann immer wir eine Kirche betreten, fragen wir uns: „ Warum wurde sie hier gebaut? Was ist so besonders an diesem Platz? Wer hat hier vor Glück geweint, bei Hochzeiten und Taufen? Wer vor Trauer? Wie wurden und werden hier die Feste gefeiert? Ist diese Kirche immer noch Teil des dörflichen Lebens oder nur noch für die Touristen interessant?“
Wir haben ja die Zeit, diese Bauwerke auf uns wirken zu lassen und weil wir uns ihnen auf diesem Weg öffnen, tun sie es scheinbar auch für uns. Sie lassen uns teilhaben an ihren Geschichten.
Zum Beispiel Geschichten über verheerende Brände und den Wiederaufbau. Gerade im hohen Norden sind Dörfer oft Bränden zum Opfer gefallen.
In Nordnorwegen gibt es viele moderne Kirchen. Hammerfest, Alta, Tromsö und auch die Lofoten besitzen wunderbare, moderne Kirchen. Ein Grund dafür (der uns bis zu unserer Reise völlig unbekannt war): die Deutschen haben hier nach dem 2. Weltkrieg verbrannte Erde hinterlassen. Als der Krieg verloren war, brannten sie die Städte und Wälder nieder und bekamen dafür den Schimpfnamen „Lapplandverbrenner“.
Wir haben in den Kirchen Zeitreisen unternommen.
In Ventspils (Lettland) sind wir in einen russisch-orthodoxen Gottesdienst geplatzt – mitten ins Mittelalter. Es gibt keine Sitzbänke in diesen Zwiebelturmkirchen. An der Seite standen alte Frauen mit Kopftüchern und in einem extra Raum wird ein uraltes Ritual abgehalten. Man hört es, aber sieht wenig. Bis der Priester mit dem Weihrauchpendel raustritt und die Gläubigen segnet. Wir standen diskret in der Ecke und bestaunten das abgestimmte Schauspiel.
Dann in Alta (Norwegen) in der hochmodernen Nordlichtkathedrale, das genaue Gegenteil. Ein Männerchor diskutiert laut über den bevorstehenden Auftritt. Der Haushandwerker steuert mit dem IPad die Akustikvorhänge. Willkommen in der Kirche der Zukunft. Ja, der Männerchor singt auch und die Akustik ist unglaublich. Mit Gänsehaut und Tränen in den Augen sitzen wir mittendrin.
In Kaunas (Litauen) kommen wir zum Ende eines Gottesdienstes dazu. Die Orgel spielt, die Gläubigen singen, wieder ein Gänsehautgefühl.
Alle drei sind Kirchen für die Gemeinschaft.
Doch wir schauen uns auch die Touristenattraktionen an, wie den Nidarosdom in Trondheim (der sehr alt aussieht, es aber nicht ist). Hier dürfen wir einem 20 minütigen Orgelkonzert auf der „kleinen“ Wagnerorgel lauschen.
Der Dom ist wirklich sehr schön und hat eine zweite Orgel, die größte die ich je gesehen habe. Und auch hier ist eine Geschichte versteckt. In ihrem Inneren versteckte 1930 einer der deutschen Orgelbauer „Millionen“ und einen traurigen Brief über die Schrecken der Inflation.
Wir haben Kirchen an der Ostsee ohne Kirchturm gesehen. Damit Räuber vom Meer aus die Kirchen nicht erkennen. Geholfen hat das scheinbar nicht, sie wurden trotzdem oft ausgeraubt.
Wir waren in der ältesten Holzkirche Finnlands in Sodankyla, haben uns den Altarraum im Nordkapcenter angesehen, waren ganz begeistert von der norwegischen Stabskirche in Ringebu.
Soviel Geschichte, so viele Geschichten – alte, neue, traurige, fröhliche, lustige, romantische, grausame – vermischen sich in diesen Orten und auf unserer Reise außerhalb der Zeit.
3 Kommentare
Christine
Danke, für den Bericht und die Bilder über diese wunderbaren Kirchen! Für eine „Ungläubige“ sehr einfühlsam beschrieben und hineingefühlt!
Karin & Reinhard
Ein wunderbarer Blog. Du schaffst es den Spagat zwischen Wissen und Glauben realistisch darzustellen.
Kathrin G.
Danke für den Bericht über die Kirchen. Wir gehn auch immer auf Reisen in die Kirchen, man kann so viel entdecken. Wie vielfältig die Architektur ist. Und der Männerchor wirklich ergreifend. Kathrin