Griechenland – Herbstreise
#55 Griechenland – Herbstreise
Lied zum Text: Ufo361 „Verändert“
Blau ist der Himmel über mir, türkisfarben das Wasser neben mir, golden der Sand unter mir.
Es ist der letzte Tag im Oktober und unser letzter Tag in Griechenland.
Diesen verbringen wir an einem einsamen Strand. Wir tanken nochmal Sonne und Wärme.
Nichts ist zu tun. Der Sand rinnt durch meine Hände. Meine Augen kleben an den unterschiedlichen Blautönen des Meeres. Vögel singen neben uns. Ihre Lieder werden begleitet vom unendlichen Rauschen der Wellen.
Dieser Tag ist perfekt.
Wir sind zum ersten mal in Griechenland. Beim Flüge buchen war ich darüber ein wenig verwundert.
Ich liebe ja Geschichte und wäre gerne Archäologe geworden.
Aber nur, bis ich mal eine Doku über einen gesehen habe und der hat nur Scherben sauber gemacht, beziffert und zusammengeklebt. Wenn ich mir dann noch vorstelle, eine ganze Stadt mit einem Pinsel freilegen zu müssen, da ist meine Geduld schon beim Gedanken daran zu Ende.
Also habe ich dieses Vorhaben irgendwann tief begraben, geblieben ist die Liebe zur Geschichte. Umso mehr wundert es mich, dass ich mit Mitte vierzig das erste mal die Geburtsstätte der westlichen Demokratie betrete.
Urlaubstage
Unser Urlaubsort Olympiada ist gleich neben Aristoteles Geburtsort Stageira. Hier gehen wir zwischen den Ruinen fast jeden Tag spazieren. Ein hübsches Fleckchen haben sich die alten Griechen zum Leben ausgesucht. Der alte Ort thront über dem Meer. Es gibt auch eine kleine Bucht mitten in der Ausgrabungsstätte. Hier verbringen wir einen Strandtag, bei dem wir uns wie Robinson Course vorkommen – gestrandet auf einen einsamen Insel.
Denn wir sind hier fast allein. Zwar sind in Deutschland Herbstferien, doch hierher hat sich niemand weiter verirrt. Wir sind die einzigen Touristen im Dorf, das finden wir einerseits ganz großartig, andererseits ist außer den beiden Tante Emma-Läden auch nichts weiter offen und der Ort wirkt etwas ausgestorben.
Bis auf den Nationalfeiertag am 28.10.. Da ist für eine halbe Stunde richtig etwas los. Die 20 Schulkinder des Ortes marschieren einmal durchs Dorf, begleitet vom Klatschen ihrer herausgeputzten Eltern und Großeltern.
Unsere Vermieterin hat uns zu einem Kaffee und Blätterteigtaschen auf dem Dorfplatz eingeladen. Dort sitzen wir zwischen lauter Griechen und bestaunen das kurze Spektakel. Denn kaum hat sich die Parade aufgelöst, ist wieder Ruhe in Olympiada. Nur die Hunde und Katzen streunen weiter durch die Straßen und am Strand entlang.
Überall gibt es sie, streunende Hunde. Nachts ist meist richtig was los. Da wird gebellt, geheult und sich geprügelt. Über Tag liegen die meisten faul am Strand oder mitten auf der Straße (nach den Nächten irgendwie klar). Bei unseren Spaziergängen haben wir dann auch einen treuen Begleiter. Wir nennen ihn Ari, was ihn aber nicht im geringsten interessiert. Er läuft mehrere Stunden neben uns her, liegt mit uns am Strand und verabschiedet sich auf den späten Nachmittag wieder. Ein paar Tage später kommt er uns auf einem anderen Spaziergang erneut besuchen. Die meisten Hunde wirken auf uns gut gepflegt. Unsere Vermieterin erzählt uns, dass sich im Ort eine Frau um die ärztliche Versorgung der Hunde kümmert und gefüttert werden sie von allen.
Doch nicht nur an unserem Urlaubsort gibt es die Hunde, sondern in ganz Griechenland. So begegnen sie uns in Kavala, einer alten Hafenstadt, in der wir die alte Burg erobern und uns durch die Gassen treiben lassen.
Sie liegen am Straßenrand auf unserer Fahrt nach Thessaloniki und laufen uns auch in Ouranoupolis über den Weg.
Dieses Dorf liegt auf Athos und ist der letzte Ort, den ich auch als Frau betreten darf. Hinter der Himmelsstadt Ouranoupolis beginnt die Mönchrepublik und hier dürfen keine Frauen hin. Selbst für Männer ist der Eintritt schwer, nur 10 Visa werden pro Tag ausgegeben. Wir laufen lieber am Strand entlang, genehmigen uns einen sehr starken kalten Kaffee und bestaunen den alten Wehrturm Prosphorion (toller Name, oder?).
Insgesamt verleben wir einen ganz ruhigen und entspannten Urlaub in Griechenland bis auf den einen Tag, den Tag unserer Wanderung.
Die Wanderung
Auch dieser Tag startet ganz entspannt, spätes Aufstehen, langes Frühstücken mit der Frage „Was machen wir den heute?“.
Wir entscheiden uns für einen ganz erlebnislosen Tag in unserem Ort. „Lasst uns doch den empfohlen Wanderweg von einer Wanderseite im Internet probieren“ sage ich zu meinen beiden Männern.
Gegen Mittag machen wir uns auf den (wie wir meinen) gut beschriebenen Weg. Die ersten drei Stunden bummeln wir am Meer entlang, gehen einen breiten Weg durch den Wald und schrauben uns dabei immer weiter den Berg hinauf.
Immer wieder bleiben wir stehen und bestaunen das Panorama, das sich uns bietet.
Irgendwann schauen wir mal auf die Wegbeschreibung und dort steht “ Folgen sie den Poseidon-Schildern“. Wir fangen an zu suchen, laufen den Weg ein Stück zurück und wieder in die andere Richtung. Dann sehen wir das Schild und es führt uns mitten ins Gebüsch, von hier sollen wir dem Hirtenweg folgen.
Auf den ersten Metern denken wir noch „Ach, das ist der Weg.“.
Letztendlich ist dort zu Aristoteles Zeiten wahrscheinlich der letzte Hirte lang gewandert und der Weg, den wir erkennen, ist eher eine Regenrinne.
Nach 20 Minuten sind wir im Wald gefangen, ein Aufsteigen, um auf den alten Weg zurückzukehren, nicht mehr möglich. Es bleibt uns nur der Weg nach unten und es gibt hier eigentlich keinen erkennbaren Weg.
Zweimal sehen wir noch das Poseidonzeichen mitten im Gebüsch, wir sind demnach im richtigen Wald.
Wir rutschen mehr als eine Stunde auf unserem Hintern, krabbeln auf allen vieren, klettern durch trockene Bachläufe und kämpfen uns durch die Dornen. Eine Wandererfahrung, die wir so noch nicht kennen und auch nicht wieder brauchen.
Als selbst Henrik langsam übellaunig wird, weiß ich, wir müssen hier dringend raus. Kurz bevor wir es geschafft haben, müssen wir uns noch durch ein Brombeerheckenfeld kämpfen und dann stehen wir bei einem Bauern fast im Wohnzimmer.
Zurück in unserer Ferienwohnung entfernen wir Splitter und Dornen, verarzten die Kratzer, betrachten die Risse in unseren Klamotten und können schon wieder über unser Abenteuer lachen. Henriks Fazit lautet ab jetzt : Nehme zu jeder Wanderung eine Akku-Heckenschere mit.
Ein großes Problem
Wir wandern noch ein paar mal, bleiben aber immer auf den ganz breiten Wegen und trauen keinem Wanderschild mehr.
Die Gegend in der wir uns befinden ist wunderschön. Viele Berge, grüne Wälder, die sich bis an die goldenen kiesigen Strände erstrecken und dann das türkisfarbene Wasser des Mittelmeers.
Doch eines trüb hier unsere Stimmung.
Überall liegt Dreck.
Selbst auf unserer Abenteuerwanderung mitten im Wald, sehen wir Plastikmüll, die entlegensten Buchten sind voll mit alten Plastikflaschen, Alubüchsen, Plastiktüten.
Wir sammeln auf, was in unsere Beutel passt und schmeißen es an unserer Ferienwohnung weg. Natürlich mit der Frage, ob es dann wieder am Strand landet.
Wir alle haben ein Problem, ein riesengroßes Plastikproblem. Uns wird es hier in Griechenland auf erschreckende Art bewusst. Seitdem achten wir noch mehr als vorher auf all die unnützen Umverpackungen und versuchen sie etwas zu vermeiden.
Wir wissen, dass unser etwas bewussterer Umgang nur ein Tropfen auf einem sehr, sehr heißen Stein ist, doch wenn ich möchte, dass sich etwas ändert, muss ich zuerst bei mir anfangen.
Gedanken
Es macht uns wütend und traurig, wie bedenkenlos wir mit unserer unglaublich schönen Welt und dem Geschenk, dass wir auf ihr leben dürfen, umgehen.
Ich schaue also auf das Meer und die Berge, auf die schon die alten Griechen geschaut haben. Hinter uns liegt der Zivilisationsmüll und frage mich: „Warum wollte Alexander von hier die Welt erobern?“ Waren ihm die Berge nicht hoch genug, die Buchten zu eng? Was treibt jemanden an, auf den Rücken eines Pferdes und/oder zu Fuß soweit weg zu ziehen? In das wirklich ganz Unbekannte, ohne Reiseführer, ohne Auslandskrankenversicherung. Dafür mit einem Heer so groß wie eine Kleinstadt. Wie kommt man auf so eine verrückte Idee? Wie größenwahnsinnig muss man sein? Oder waren die Abenteuerlust, das Fernweh und das Reisefieber so übermächtig groß?
Anders als in Italien, Spanien, Frankreich und auch in Deutschland fällt es mir schwer, die alte Geschichte zu sehen. Griechenland berührt mein „Geschichtsherz“ nicht richtig.
In Rom kann ich in meiner Fantasie die alten Römer über die Via Appia laufen, sie am Pont Du Gard in Frankreich bauen sehen. Ich sehe die Burgfräulein aus der Burg Eltz in Deutschland winken und die Schotten um Dumnottar Castle kämpfen. Aber hier, mitten in den Ruinen von Aristoteles Geburtsort, spüre ich den Philosophen nicht. Haben die Götter den Olymp verlassen? Es fehlt mir etwas Zauber, etwas magisches. Ich bin nicht verliebt in Griechenland.
Trotzdem mir das i-Tüpfelchen fehlt, verleben wir erholsame, erlebnisreiche, schöne Tage in Makedonien und sind glücklich, auch diesen Teil von Europa erlebt zu haben.
2 Kommentare
R.K.
Es ist der unmittelbar sichtbare Dreck, die Mißachtung unserer Umwelt und die Gewissheit selbst mit an dieser Realität schuld zu sein!
Das persönliche Unwohlsein behindert die Phantasie und Magie des Augenblicks.
So war es auch das 1. Mal im Süden der Türkei und anderen südeuropäischen Staaten.
Sylke
Ach Papa, ich vermisse Dich, Deine Sicht auf die Welt, Dein Lachen und unsere Gespräche.