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Schottlandgeschichten – Teil 4

#45 Schottlandgeschichten – Teil 4
An der Nordsee
Lied zum Text: “The last Unicorn” America

Wir stehen auf der westlichen Spitze der Black Isle und schauen in den Moray Firth. Der Wind zerrt an uns, meine Haare peitschen mir ins Gesicht. Ich habe es aufgegeben, sie in einem Zopf zu bändigen. Unsere Blicke huschen suchend übers aufgewühlte Wasser. Doch außer Wellen ist nichts zu sehen oder vielleicht doch? War da nicht gerade eine Flosse?

Wir suchen nach den Großen Tümmlern. Nach den letzten 130 Tieren dieser Art, die noch in der Nordsee leben. Aber wir haben kein Glück – noch nicht.
Drehen wir unseren Kopf nur ein paar Zentimeter nach links erscheinen Bohrinseln in unserem Blickwelt. Rechts Natur pur, links Industrieromantik, hinter uns ein kleines Fischerdorf – “unwirklich” ist das einzige Wort, was meinem Kopf dazu einfällt.

Wir sind von der Atlantikseite Schottlands auf die Nordseeseite gefahren. Dabei ging es durch ganz einsame Gegenden. Da gab es nur uns, die Highlands, Schafe und Fasane. Irgendwann öffnete sich die Landschaft wurde sanfter und ohne Vorwarnung lag eine Nordseebucht vor uns. Da drin stehen die Bohrtürme.
Diese werden hier gewartet. Aber nichts bereitet dich auf den Anblick vor, da gibt es keine großen Städte drum rum, keine mehrspurigen Straßen, einfach nur viel Natur und kleine Dörfer.
In einem dieser Dörfer stehen wir jetzt. Cromarty ist klein, aus grauem Granit und entspannt. Alles wie immer in Schottland. Wir laufen durch den Ort und suchen uns ein Café. Unsere Blicke gehen immer wieder in die Bucht hinaus, die Bohrtürme stehen wirklich da, keine Fata Morgana.
Als es anfängt zu nieseln, sitzen wir in einem bunten und sehr niedlichen Café. Eine Stunde später geht unser Blick gleich wieder zur Bucht und da sind sie immer noch.

Am Abend sind wir in Fortrose. Stehen wieder am Meer, kämpfen wieder mit dem Wind, unser Blick wieder suchend aufs Meer gerichtet und da sind sie wirklich – die Großen Tümmler. Relativ dicht am Strand sehen wir die Rückenflossen auftauchen, manchmal auch eine Schwanzflosse. Wir wünschen Ihnen Glück und Menschen die auf sie aufpassen, so dass sie noch lange die Bucht bevölkern werden.

In der Nacht können wir kaum schlafen. Wir stehen mit dem Womo direkt am steinigen Strand. Der Wind rüttelt uns hin und her und die Wellen machen mächtig Radau. Dafür werden wir am Morgen mit einer unglaublichen Aussicht auf die Bucht belohnt.
Hinter uns liegt Fortrose ein hübscher kleiner Ort mit der Ruine einer großen Kathedrale auf einem, für Schottland typischen, Friedhof. Alte verfallene Steine, Engelsfiguren ohne Köpfe, verwitterte Grabplatten und Gräber die langsam einsacken geben diesen Friedhöfen einen schaurigen Charme.
Hier auf der Nordseeseite stolpern wir dauernd über Ruinen, Burgen, Schlösser und anderen Zeitzeugen der langen schottischen Geschichte.

So sehen wir uns Cawdor Castle an. Das Schloss in dem Macbeth König Duncan erschlagen haben soll, ist ein wirkliches Märchenschloss. Von der wunderschönen Parkanlage öffnen sich immer wieder neue traumhafte Blickwinkel auf das Schloss. Ich glaube ja, dass darin Dornröschen gelebt hat. Ein großer Wald gehört zur Parkanlage und man kann die Ritter erahnen, die Dornröschen aus ihrem Schlaf erwecken wollen.

Wir schauen uns in Dufftown nicht nur die Glenfiddich Distellery an, sondern auch die Ruine des Schlosses, dass gleich daneben steht. Die Luft ist geschwängert vom Whiskygeruch, man braucht hier nichts trinken um betrunken zu werden, atmen reicht schon. Ist auch billiger als sich die Premium Edition für 2750 Pfund zu kaufen. Wir  nehmen uns eine kleine Probierflasche mit 15 Jahre alten Whisky mit und trinken abends jeder einen Schluck (mit Gesicht verziehen und Husten) auf unserem Stellplatz mitten in den Highlands.
Hier komme ich mir vor, wie bei Bambi. Um uns herum nur “Hügel” und Felder. Gleich neben dem Womo tauchen immer wieder Rehe auf, Kaninchen hoppeln umher und ein stolzer Fasan passt auf seine Henne auf. Dieser weckt uns dann auch am Morgen mit seinem eigenwilligen Gekrächze.

Weiter geht es durch die einsamen Highlands, die Straße zeigt ab und zu 20% Steigung an. Doch wir merken erst wie hoch wir sind, als sich neben uns eine der wenigen britischen Skianlagen befindet und sogar noch Restschnee dort liegt. Dann geht’s wieder abwärts bis wir zum Balmoral Castle kommen. Natürlich schauen wir uns den Sommersitz der Queen an. Dieser liegt in mitten einen unglaublich schönen Natur und ganz schön weit von irgendeinem Trubel weg. Ich denk mal, ausspannen kann man hier ganz gut.

Wieder zurück an der Nordseeküste machen wir in Stonehaven halt. Der Ort und vor allem der Strand ist auf den ersten Blick so ein “naja, da habe ich auch schon mal was Schöneres gesehen.” Zum Glück entdecken wir den Hafen und hier ist der Ort auch wirklich richtig schön. Außerdem gibt es hier den Imbiss, der als erster auf die Idee gekommen ist Marsriegel zu frittieren – wenn das mal nicht unnützen Wissen ist.
In dem Café, das wir uns für die Pause suchen, dürfen wie Zuschauer bei einem tragischem Schauspiel sein.
Ein kleiner Junge kommt mit seinen Eltern und seiner Großmutter rein. Irgendwer muss ihm vorher versprochen haben, dass er jetzt einen Erdbeerkuchen bekommt. Als er diesen bestellt, sagt ihm die Kellnerin, dass es keinen mehr gibt. Der Junge fängt daraufhin sofort an erbärmlich zu weinen als wär sein Lieblingshund gerade gestorben. Zwischen den Schluchzern kommt immer ein “ich wollte Erdbeerkuchen” hervor. Er lässt sich kaum beruhigen. Die Kellnerin bringt ihm dann einen Kuchen mit Erdbeermarmelade, richtig glücklich ist er dann zwar immer noch nicht, aber er isst diesen Kuchen.
Das war ein Schauspiel von hoher emotionaler Tragweite. Seit dem überlege ich, wo ich dass mal bringen kann. Ich werde mir mal extra etwas bestellen, was es nicht gibt und dann geht es los …

Kurz nach diesem menschlichen Schauspiel, bewundern wir das nächste geschichtliche. Wir stehen auf den Klippen vor Dunnottar Castle. Der Wind weht uns fast über den Klippenrand, man kann vor lauter Windtränen in den Augen beinah nichts sehen und unterhalten klappt auch nicht richtig. Der Wind treibt die Worte aus meinem Mund gleich Richtung Nordsee und nicht zu Henrik. Dadurch hört er meine “Ist das schön.” ” Das sieht ja unglaublich aus.” “Irre” “Mein Gott, was ist den das für ein Wind?” u.s.w. Ausrufe nicht.
Der Anblick beflügelt meine Fantasie sofort : Ich sehe Christopher Lee auf den Klippen der Ruine stehen unter ihm die Einhörner, die vor dem roten Stier, ins Wasser fliehen. Henrik schüttelt bei derartigen Gedankengängen nur den Kopf und sagt: “Sieht schon ne Knaller aus. Wohnen würde ich hier aber nicht wollen, ein bisschen viel Wind.” Wo er recht hat, hat er recht.

Wir ziehen uns zurück in eine windgeschützte Bucht und lassen den Abend ganz ruhig ausklingen. Am nächsten Tag machen wir einen langen Strandspaziergang bei Montrose. Klar auch hier steht eine kleine Burgruine.
Bevor wir Richtung St. Andrews weiterfahren schauen wir uns die schönsten Piktensteine von ganz  Schottland an.

St. Andrews ist wieder so eine schottische “ich bin gleich verliebt” Stadt. Alte Ruinen, Klippen mit weitem Blick über die Nordsee, kleine süße Geschäfte, alte Häuser und eine große Universität. Obwohl die Studenten gerade irgendetwas feiern, hat der Ort was ganz unaufgeregtes. Wir fühlen uns hier sofort wohl, bummeln durch die Gassen und schauen uns das bunte Treiben aus einem Restaurant beim Essen an.

Übrigens Essen, außer den sehr leckeren Fish and Chips, den Scones, Flupjacks haben wir auch Haggis probiert und fanden es überhaupt nicht Bäh. Es ist halt ein Art Grützwurst mit viel Hafer drin. Es wird jetzt nicht unser Lieblingsgericht, aber man kann es essen.

Zum Ende unserer Reise fahren und laufen wir noch durch sehr schöne Fischerdörfer, wie Crail und St. Monance. Hier kann man den Sommer genießen und da gerade die Sonne scheint, tun das die Schotten auch. Sie sind mit Kinder, Großeltern, Tanten und Onkels und den Hunden am Strand und wir haben viel zusehen.

Unser letzter Stellplatz liegt kurz vor Edinburgh in Linlithglow. Wir müssen nochmal Singletracks fahren um dort hin zukommen und immer weiter einen Berg hoch. Von dort oben haben wir das Gefühl ganz Schottland Tschüss und Danke für die schöne Zeit sagen zu können.

Irgendwann kommen wir bestimmt wieder, denn es gibt noch eine Menge Märchenhaftes zu entdecken.

Unsere nächste Reise führt uns durch Deutschland, diesmal ist auch das Monster wieder mit dabei. Mal sehen womit uns unser Heimatland so überraschen kann.

 

 

 

 

Ein Kommentar

  • Kathrin G.

    Ach wie schön!!! St. Andrews, Crail, Glennfiddich und die Gegend von Balmorale haben bei uns schöne Erinnerungen ausgelöst. Toll Rundreise habt Ihr gemacht und wie immer wunderschön geschrieben Sylke. Willkommen wieder zu Hause.

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